Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
um ehrlich zu sein, mir ist es gleich, wenn die Yorkisten sich gegenseitig an die Kehle gehen.«
Henry betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Ihr müsst Euer Herz vom Hass auf unsere Feinde befreien, mein junger Freund. Nichts Geringeres verlangt Gott von uns.«
Das hätten Megans Worte sein können, fuhr es Julian durch den Kopf. »Ihr habt gewiss Recht, Sire. Aber meine Großmut ist nun einmal nicht so königlich wie Eure.«
Er verabschiedete sich bald. Der König ermüdete heutzutage schnell und erhob keine Einwände, als Julian ging.
Mit schuldbewusster Erleichterung lief der Earl of Waringhamdie engen, schmalen Stufen hinab, dankbar, diese lästige Pflicht wieder einmal hinter sich gebracht zu haben.
Lucas hatte es sich derweil in der Wachkammer gemütlich gemacht: Er hatte den Soldaten einen Krug Wein abgekauft – kein Mann in der Livree des Earl of Waringham hätte hier auch nur einen Schluck Wasser umsonst bekommen – und leerte ihn nun mit dem diensthabenden Sergeant zusammen.
»Können wir?«, fragte Julian ein wenig grantig.
Lucas nickte, trank den letzten Schluck aus seinem Becher, bedankte sich bei dem Sergeant und stand auf. »Was immer du sagst, Onkel.«
Julian wandte sich grinsend ab und ging voraus in den Nieselregen. Im vergangenen Sommer hatte Lucas Julians Nichte Martha Neville geheiratet. Lucas’ Onkel Philip, der mächtige Londoner Kaufherr und das allseits gefürchtete Oberhaupt der Durham, war wenige Monate vorher gestorben, sodass es Lucas möglich gewesen war, sich aus der Verbindung mit seiner greisen Verlobten zu mogeln und stattdessen der Stimme seines Herzens zu folgen. Streng genommen war es eine Heirat unter Marthas Stand, denn das Mädchen entsprang zwei der ältesten Adelsgeschlechter des Landes, während die Durham nur einfache Ritter und noch vor zweihundert Jahren unbedeutende Londoner Handwerker gewesen waren. Aber Julian war äußerst zufrieden, denn die Ehe festigte das Band zwischen ihm und seinem Freund, beraubte seine Schwester nicht der Gesellschaft ihrer Tochter, da Martha auch weiterhin in Waringham lebte, und außerdem gab es nicht mehr genügend lancastrianische Lords, um für jede junge Dame von Stand einen geeigneten Gemahl zu finden. Zu viele waren gefallen, hingerichtet oder ins Ausland geflohen.
Julian und Lucas machten sich quer durch die Stadt auf den Weg nach Farringdon. Als sie am Wool Quay vorbeikamen, hielt Julian kurz an und schaute zur Edmund hinüber. »Sag ehrlich, Lucas. Hast du je ein schöneres Schiff gesehen?«
»Natürlich nicht«, gab sein Freund zurück. »Sie ist die Königin der Meere.«
Julian warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ja, spotte nur. Aber als sie uns sicher durch den Sturm gebracht hat, hast du selbst ihr Loblied gesungen.«
»Das ist wahr«, räumte Lucas ein. »Jesus, mir haben selten so die Knie geschlottert …«
Sie hatten die erste Ladung der diesjährigen Schur nach Brügge gebracht – Julians eigene Wolle – und hatten sie dort an burgundische Kaufleute verkauft. Das war verboten, denn alle englische Exportwolle musste den Stapelplatz in Calais durchlaufen, aber Julian dachte nicht daran, Edward of March mit Zollzahlungen die Schatullen zu füllen. Ihm war es gleich, wenn sie ihn einen Schmuggler nannten – die Yorkisten hatten ihn schon schlimmer betitelt –, und ehe sie ihn bestrafen konnten, mussten sie ihn erst einmal erwischen. Die Gefahr war gering, denn das Meer war groß und der burgundische Markt für unverzollte, preiswerte Wolle noch größer.
Von Brügge waren sie weiter nach Harfleur gesegelt, um Marguerite einen Besuch abzustatten und eine Ladung französischen Weins an Bord zu nehmen. Auf dem Weg entlang der normannischen Küste waren sie in schweres Wetter geraten, und sie hatten befürchtet, an den zerklüfteten Klippen zu zerschellen. Doch die Edmund – eine dreimastige Karavelle modernster holländischer Bauart – hatte dem Wetter tapfer getrotzt. Julian war von Anfang an unbändig stolz auf sein Schiff gewesen, aber nun betrachtete er es fast mit so etwas wie Verehrung, und er wusste, er hatte die Matrosen an den Rand der Meuterei getrieben mit seiner ständigen Forderung, das Deck zu schrubben.
»Wenn wir dann mit der Anbetung des dreimastigen Schreins fertig sind, können wir vielleicht weiterreiten?«, erkundigte sich Lucas. »Es tröpfelt schon aus meiner Hutfeder.«
Julian lächelte verschämt und folgte ihm zur Bridge Street und weiter zur Candlewick Street, wo trotz des
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