Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
bedauerte er es, als Lucas kam und über das Getöse hinweg brüllte: »Es wird Zeit, Mylord.«
Die drei größeren Kinder wurden still und betrachteten ihn mit großen Augen. Natürlich wussten sie, wer Lucas war, aber ein Mann in Rüstung machte allen kleinen Kindern Angst. Und das zu Recht, dachte Julian flüchtig. Ein Mann in Rüstung war immer eine potenzielle Gefahr, brachte Tod und Leid. Es war nur folgerichtig, dass er bedrohlich aussah. Aber hier im Kreise seiner Kinder verspürte Julian so einen Widerwillen, sich selbstwieder in eines dieser gesichtslosen stählernen Ungeheuer zu verwandeln, dass er sich wie gelähmt fühlte.
»Kommst du?«, drängte Lucas. »Roland wird schon ganz unruhig. Er muss ins Gestüt, sagt er.«
Julian gab sich einen Ruck. »Ich würde mir nie erlauben, meinen Knappen warten zu lassen.« Er stellte Alice auf die Füße und stand auf.
Ungeduldig, aber mit Erfahrung und Geschick hatte Roland ihm in die Rüstung geholfen. Janet begleitete ihren Gemahl in den Burghof hinaus. In der Ferne über der See türmten sich noch ein paar bedrohliche Wolken, aber der Sommer war nach Kent zurückgekehrt, und die Sonne ließ das feine safrangelbe Kleid und die passende Haube erstrahlen.
Julian nahm ihre Hand, küsste Janet auf die Wange und sog verstohlen noch einmal diesen wunderbaren Duft ein. Janet trug eine schwere, aufwändige Halskette aus Gold und Perlen und den passenden Ring am Zeigefinger der Linken. Eine elegante Frau, dachte Julian stolz. »Leb wohl. Wenn ich kann, lass ich euch wissen, was vorgeht.«
»Gott schütze dich«, erwiderte sie lächelnd, befreite ihre Hand und trat einen Schritt zurück.
Julian wusste, ihr war es lieber, wenn sie den Abschied kurz machten. Er nickte, streifte den Stulpenhandschuh über und ging zu seinem Pferd, einem sechsjährigen Grauschimmel namens Ascanius. Dädalus hatte ausgedient und bekam auf dem Gestüt sein Gnadenbrot.
Julian saß auf, ritt zum Tor, und Lucas und Tristan folgten ihm mit ihren Knappen.
»Du brauchst dringend einen neuen Jungen, Julian«, bemerkte Tristan kritisch, als sie den Burghügel hinabtrabten. »Wie sieht das denn aus, wenn du ohne einen Knappen ins Feld ziehst?«
»Wir ziehen nicht ins Feld«, stellte Julian klar.
»Das werden wir ja sehen. So oder so brauchst du jemanden, der sich um dich und deine Rüstung kümmert. Schlimm genug,dass du so oft ohne Herold und Dienerschaft unterwegs bist. Das gehört sich einfach nicht für einen Earl.«
»Du hast ja Recht«, räumte Julian unwillig ein. Und es gab genügend Knaben auf seiner Burg, die sich darum gerissen hätten. Aber seit Julian Alexander Neville bei Towton verloren hatte, fand er immer neue Ausreden, um keinen Knappen mitnehmen zu müssen, wenn er Waringham wieder einmal mit unbekanntem Ziel und Ausgang verließ. Während der langen Monate, da er mit dem kläglichen Rest des lancastrianischen Widerstandes im Norden gekämpft hatte, hatte er entweder einen der einfachen Soldaten als Burschen eingestellt oder wie ein Bettelritter sein eigenes Schwert geschärft und poliert. Inzwischen brachte er sogar das Kunststück fertig, die Schnallen der Rüstung in seinem Rücken selbst zu schließen und zu öffnen.
»Wohin genau reiten wir eigentlich, Julian?«, wollte Lucas wissen.
»Nach Norden«, bekam er zur Antwort. »Wir machen uns auf die Suche nach Warwick.«
»Du solltest wissen, wo es liegt. Hast du nicht deine halbe Jugend dort verbracht?«
Julian verdrehte ungeduldig die Augen. »Ich sprach von dem Mann, Holzkopf, nicht von der Stadt. Wir reiten zu meinem geliebten Cousin Richard Neville. Was immer jetzt geschieht, wird sich dort entscheiden, wo er ist.«
Northampton, Juli 1469
Es war gar nicht so einfach, den Earl of Warwick ausfindig zu machen, denn er war ständig in Bewegung, was seinen Feinden den entmutigenden Eindruck vermittelte, er sei überall gleichzeitig.
Am 11. Juli inszenierte er in Calais die Vermählung seiner Tochter Isabel mit König Edwards trinkfreudigem Bruder Clarence. Warwicks eigener Bruder, George Neville, inzwischenErzbischof von York, traute das Paar und verlieh der Verbindung dank seines hohen Kirchenamtes Legitimation. George Neville war es auch gewesen, der schon Monate zuvor in Rom einen päpstlichen Dispens für diese Ehe beantragt hatte, der notwendig war, weil die Mutter des Bräutigams und der Großvater der Braut Bruder und Schwester gewesen waren.
Die englischen Truppen in Calais standen unverändert unter
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