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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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verschränkte ihre Finger ineinander und schien zu einem Schluss zu kommen. »Mehrere meiner Frauen hier«, fuhr sie fort und wies mit dem Kinn auf die Mägde, nicht auf die Damen, »husten und schniefen mir schon den ganzen Winter die Ohren voll. Was würdest du ihnen empfehlen, Mädchen?«
    »Andorn, Euer Gnaden«, gab Judith, ohne zu zögern, zurück. Das war eine der leichtesten Fragen, schon deswegen, weil in Köln ständig Nachfrage danach bestanden hatte, auch in Josefs eigenem Haus, als es noch voller heranwachsender Kinder gewesen war. »Er hilft gegen Husten und Halsschmerzen, oft auch gegen Ohrenkrankheiten. Bringt Wasser zum Kochen, übergießt einen Löffel voller Andornkraut mit einem Becher des heißen Wassers, lasst das Ganze fünf Minuten lang ziehen und abseihen. Dann gebt zwei kleine Becher Wein dazu und lasst die Mixtur aufkochen. Ich selbst gebe vor dem Trinken etwas Honig hinein, weil es die Bitterkeit lindert.«
    Die Herzogin runzelte die Stirn. »Mag sein, dass wir Andorn in der Küche haben. Schlimmer kann das Gehuste nicht werden, also wird ein Versuch nicht schaden. Viel Schlaf ist mir in dieser Woche ohnehin nicht beschieden gewesen, und den wenigen ständig gestört zu finden, war eine zusätzliche Last.« Sie schnipste mit den Fingern. »In die Küche mit euch, um genügend Andorntrank für uns alle zu bereiten«, sagte sie zu ihren Mägden, und fügte, an die Damen gewandt, hinzu: »Auch Ihr solltet mitgehen, um ein Auge auf die jungen Dinger zu haben, sonst halten sie sich am Ende am Wein gütlich und vergessen den Andorn vollkommen.«
    Judith beobachtete, wie die Frauen hinausflatterten. Es war klar, dass der Befehl der Herzogin darauf hinauslief, mit ihr allein gelassen zu werden. Ihr Herz schlug ein wenig schneller. Das musste, das durfte nur etwas Gutes bedeuten.
    Als auch die letzte Magd verschwunden war, sprach Helena erneut. »Und nun verrate mir, was sollst du für Graf Otto herausfinden? Warum hat er nicht einfach eine meiner Mägde mit etwas Silber oder seinem Welfenlächeln bestochen?«
    »Ich glaube, es war ein plötzlicher Einfall«, entgegnete Judith. Sie war froh, äußerlich ruhig zu bleiben, doch sie konnte nicht verhindern, dass sich unter dem Leinenband, das von ihrem Haaransatz bis in ihre Stirn ging, Schweißtropfen bildeten. »Er fand meinen Vater und mich im Hof, sah, dass wir hier keine Freunde besitzen, und glaubte, leichtes Spiel zu haben.« Der Zorn, den Otto in ihr geweckt hatte, ließ sie hinzufügen: »Vielleicht wollte er auch einfach Bestechungsgeld sparen. Eure Mägde haben bei Euch ein sicheres Auskommen und wären töricht, wenn sie es für weniger als eine gute Mitgift riskieren würden. Mir dagegen brauchte er nur mit dem Leben meines Vaters zu drohen.«
    Die Herzogin, die bisher in einem Armstuhl gesessen hatte, erhob sich abrupt. »Mädchen, weißt du, wer Otto von Poitou ist?«
    Ein Fehler, dachte Judith verzweifelt, ich habe wieder einen Fehler gemacht. Geisel oder nicht, Feind oder nicht, sie hat mehr mit ihm gemein als mit mir. Ich hätte es wissen müssen! Warum lasse ich nur immer wieder meiner Zunge freie Bahn!
    »Der Neffe des Königs von England«, gab sie hölzern zurück.
    »Und der dritte Sohn Heinrichs des Löwen, der einst Barbarossa selbst den Thron streitig machte«, sagte die Herzogin. »Es gibt kaum jemanden von edlerer Herkunft im Reich, bis auf seine Brüder.« Ihre Augen verengten sich. »Vor allem aber ist er ein unerträglich eingebildeter Gernegroß, der meint, in Aquitanien und am englischen Hof aufgewachsen zu sein, mache ihn uns deutschen Fürsten gegenüber überlegen.« Sie lachte kurz auf. »Es war eine finstere Woche, Mädchen. Am Ende bin ich dir und Otto für die Ablenkung noch dankbar.« Ihre Augen glitzerten boshaft. »Also, was möchte er wissen?«
    Sei vorsichtig, mahnte sich Judith. Wenn sie der Herzogin diese Auskunft erteilt hatte, dann gab es nichts mehr, was Helena noch von ihr wollte. Eine Ablenkung, die ihren Zweck erfüllt hatte, schickte man fort und dachte nicht mehr an sie, vor allem, wenn der eigene Gatte starb. Sollte es ihrem Vater nicht gelingen, den Herzog zu retten, würde seine trauernde Witwe keinen Gedanken an sie und die guten Ratschläge für Lippenpflege und Erkältungstrank verschwenden.
    »Etwas, das er durch eine ehrliche Frage an richtiger Stelle wohl eher erfahren würde«, murmelte sie, obwohl sie das mitnichten glaubte. »Euer Gnaden, ich …«
    Weiter kam sie nicht, denn eine von

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