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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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stand über einen der Tuchballen gebeugt, ihre Schultern zuckten. Ein langes, reißendes Geräusch ertönte: Sie hatte nicht genügend Geduld aufgebracht, mit der Schere weiterzuarbeiten, und den Rest von was immer sie abschneiden wollte, mit einem Ruck abgetrennt. Ihr Kopf fuhr herum, und ihre Augen funkelten kurz im Lichtschein von der Türspalte. Sie waren weit aufgerissen. Wahrscheinlich hatte sie mehr Angst als ich. Sie gab ein kleines, ersticktes Stöhnen von sich und huschte zu einem anderen Tuchballen hinüber. Ich nutzte die Gelegenheit, auch meine Stellung zu wechseln, um sie im Auge behalten zu können. Der Küchengeruch, den sie ausströmte ... war es Elisabeth?
    Lutz sagte: »Ich war noch mal bei der Hütte, bevor sie die Tore zumachten. Sie ist nicht zurückgekommen.«
    Karl Hoechstetter antwortete nicht. Die Frau schien eine Stoffbahn aus der Umhüllung eines anderen Ballens zu zerren und machte sich mit der Schere darüber her. Plötzlich wusste ich, was sich gerade vor meinen Augen ereignete: Ulrich Hoechstetter wurde in seinem eigenen Haus bestohlen. Wenn sie sich auf die bereits geöffneten Ballen beschränkte und überall nur kurze Bahnen abschnitt, würde es niemandem auffallen.
    »Verdammt schade, dass der Scharlatan kein Gold machen konnte, was? Dann hätten wir all diese Scheiße jetzt nicht am Hals«, sagte Lutz, jetzt kaum mehr hörbar. Er war wieder zu Hoechstetter in die Arbeitsstube getreten.
    »Dädalus, dieser Idiot. Von all seinen schlechten Ideen war das die allerschlechteste. Ich hätte nicht mitmachen sollen, aber er hat mich schwindlig geredet. Die französische Lösung, pah! Wir haben gutes Geld dem schlechten hinterhergeschmissen.«
    Lutz schien Lust zu haben, das Messer in der Wunde zu drehen. »Vielleicht hat Stinglhammer ihn zu früh entdeckt und an die Luft gesetzt, was? Vielleicht war er soo kurz davor, euer Spielchen ...«
    »Halt's Maul«, brummte Hoechstetter. »Ich wollte, der Kerl wäre tot. Wenn mir nur früher klar geworden wäre, dass der kleine Schnüffler Stinglhammer unsere Pläne durchschaut hatte.«
    »Pech gehabt.«
    Ich spürte das Zerren auf der anderen Seite des Ballens, hinter dem ich mich versteckt hatte, und zuckte entsetzt zusammen. Ich hatte zu sehr auf die Stimmen gehorcht und nicht aufgepasst, was in meiner unmittelbaren Nähe geschah. Ich duckte mich, so tief ich konnte, in den Schatten hinein, und hielt die Luft an. Ich hörte das stoßweise Keuchen, das sie zu unterdrücken versuchte, während sie schnitt. Als ich nach oben spähte, sah ich die obere Hälfte ihres Gesichts und das Haar, das in wirren Strähnen darum herum hing. Sie zischte zwischen den Zähnen und spähte zur Tür hinüber. Ihr Gesicht, in das dasLicht zu viele Schatten warf, war mager. Sie war nicht Maria und auch nicht Elisabeth. Dennoch kannte ich sie.
    »Halt dich bereit, wenn ich dich rufe.«
    »Ich komme, wann ich will. Zünd dir das Feuer an, wenn dich das Podagra zu sehr zwickt, das soll helfen.«
    Ich hörte Lutz aus Hoechstetters Zimmer stolzieren, denn er machte sich nicht die Mühe, besonders vorsichtig aufzutreten. Die Frau auf der anderen Seite des Tuchballens ging in Deckung. Wenn Lutz hereinkäme, fiele das Licht von der geöffneten Tür direkt auf mich. Meine Strategie, mich in Richtung Ausgang vorzuarbeiten, war genau die falsche gewesen. Ich erstarrte. Lutz' Schritte verhielten vor der Tür. Sinnlos tastete ich nach einer Waffe, dann hörte ich seine eisenbeschlagenen Stiefel weiter den Gang hinunterknallen. Schwitzend ließ ich mich gegen den Ballen sinken. Meine unfreiwillige Gefährtin machte sich nach einer Pause wieder an die Arbeit und huschte dann zu einem weiteren Ballen etwas weiter entfernt hinüber. Ich kroch auf Händen und Füßen in die von der Tür am weitesten entfernte Ecke und machte mich dort in der Finsternis so klein wie möglich.
    Ein paar Mal hörte ich sie noch zerren, schneiden und reißen und dachte gleichzeitig darüber nach, wo ich sie schon gesehen hatte und wie es jetzt weitergehen sollte. Dann war es plötzlich still. Sie schien fertig zu sein und sich wieder davongemacht zu haben. Aber die Tür hatte sich nicht bewegt. Ich horchte in die Düsternis – richtig, da war ihr flacher Atem, und dann zog sie vorsichtig die Nase hoch. Sie musste sich wie ich in den Schatten eines der Ballen geduckt haben. Worauf wartete sie? Dass das Haus stiller war, um dann ungesehen hinauszuschleichen?
    Wenige Augenblicke später löste sich dieses

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