Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
schreckte hoch und sein Gesicht verzerrte sich vor Ärger. Dann erkannte er, wer unangemeldet in die Arbeitsstube des Bischofs gestürmt war. Als er meinen Aufzug sah, kniff er kurzsichtig die Augen zusammen, blickte daraufhin zum Fenster und wirkte erstaunt, dass der Regen daran in langen Schlieren herablief. Er fuhr sich mit der Handfläche über das Gesicht und bemühte sich um ein Lächeln; er wollte etwas sagen, doch mit einer Handbewegung schnitt ich ihm das Wort ab. Ich war so wütend auf ihn, dass ich ihn nur deshalb nicht am Kragen packte und aus dem Stuhl hochzerrte, weil ich außer Atem war.
»Was für ein Spiel spielst du mit mir?«
Gregor ließ sich zurücksinken. Er versuchte, ein unschuldiges Gesicht zu machen.
»Keiner aus der Familie Hoechstetter war am Grab von Dädalus.«
Er antwortete nicht. Wahrscheinlich ahnte er, dass meine Wut nicht nur daher rührte. Ich stapfte bis zu seinem Tisch und lehnte mich über die Tischplatte.
»Beruhig dich, Peter ...«
»Was hast du mir bezüglich Martin Dädalus verschwiegen?«
»Was hast du denn erfahren?«
»Hat Georg Hoechstetter dich mit der Klärung des Mordes an Dädalus beauftragt, oder hast du dich ihm jetzt, nach Stinglhammers Tod, aufgedrängt?«
»Onsorg und der Stadtvogt sind zu sehr damit beschäftigt, hinter vermeintlichen Hexen und Sektierern herzuspüren. Ihnen fehlt die Kompetenz, den Fall zu lösen.«
»Also bist du angerückt und hast erklärt, du könntest die Geschichte viel schneller aufklären als jeder andere. Welche Rolle spielst du in der Angelegenheit? Was hast du davon, dass du das Bistum in Dinge verwickelst, die es nicht betreffen? Den Beweis, dass du besser bist als der Stadtvogt und seine Leute?«
Gregor sagte nichts. Ich richtete mich auf und trat ans Fenster. Der Regen prasselte dagegen, als schleuderte jemand Fäuste voller Steine gegen die Scheiben. Es war so dunkel draußen wie in der Dämmerung. Von den Glasscheiben drang die Kühle, die das Gewitter mitgebracht hatte, in die stickige Wärme der bischöflichen Arbeitskammer, ohne die Dumpfheit zu vertreiben. Donner rollte ohne Unterlass.
Gregors Augen folgten mir, als ich mich auf der Fensterbank niederließ. Er sah niedergeschlagen aus. Die Blitze warfen seinen Schatten zuckend an die Wand hinter dem Stuhl des Bischofs; es schien, als richtete sich der eigentliche Besitzer hinter ihm auf und bedeutete ihm, dass er dafür zu klein war. Der Schreiber öffnete die Tür und hielt einen brennenden Docht indie Höhe. Gregor gab ihm einen müden Wink, und der Mann schlurfte heran und zündete umständlich ein paar Unschlittlichter an. Wir schwiegen, bis er wieder draußen war.
»Welche Aufgabe hatte Dädalus?«
»Er war ein paar Jahre Leiter des Hoechstetter'schen Handelshauses in Bologna. Erst seit diesen Frühling war er wieder zurück in Augsburg.«
»War er in Ungnade, dass niemand aus dem Haus Hoechstetter zu seiner Beerdigung gekommen ist?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber du wusstest, dass er seinen letzten Weg allein antreten würde.«
»Ich konnte es aus verschiedenen Andeutungen schließen.«
»Hatte Onsorg ein Auge auf ihn geworfen?«
»Was meinst du damit?« Gregor war ehrlich verwirrt.
»Vielleicht wurde Dädalus mit Hexerei oder Dämonenbeschwörung in Verbindung gebracht?«
»Das ist absurd.«
»Hast du nachgefragt?«
»Nein, verdammt noch mal. Aber der Mann kannte hier doch keinen. Die einzigen Menschen, zu denen er näheren Kontakt hatte, waren Hoechstetters Buchhalter und die Leute, denen gegenüber er Rechenschaft über die Führung der Filiale ablegen musste. Abgesehen davon hat er noch ein paar Nutten in der Jakobervorstadt aufgesucht. Das ist alles ... ich sag dir was: Man hat ihn noch nicht einmal auf dem Markt gesehen.«
»Du hast ja doch Erkundigungen eingezogen.«
»Das ist alles, was ich herausgefunden habe.«
»Und nun?«
»Nun ist einer von den wenigen Leuten, mit denen Dädalus Umgang pflegte, ebenfalls umgebracht worden. Das gibt der Geschichte eine neue Wendung.«
»Ich habe gehofft, dass dir das auffallen würde«, sagte ich. Er fuhr nicht auf, sondern sah mich nur verdrossen an.
»Gieß du nur auch deinen Spott über mir aus.«
»Ich hasse es, wenn man mich zu manipulieren versucht.«
»Dabei warst du früher selbst recht gut darin. Du hast immer gesagt, das Beste sei, jemandem die Überzeugung einzugeben, dass er meint, aus eigenen Stücken zu handeln, anstatt ihn mit Gewalt zu etwas zwingen zu müssen.«
»Lenk
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