Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
das Brett ab und huschte hinaus, ohne einen von uns anzusehen. Hurlocher reichte uns die Tonkrüge. Sie waren schwer und mit mindestens einem Schenkmaß Bier gefüllt. Ich trank einen Schluck; es war kein Sauerbier, wie ich erwartet hatte, sondern vollmundig. Wahrscheinlich stammte es aus einem Fass, das der eigentliche Besitzer bestimmt nicht für uns angestochen hätte.
»Was wird nun mit denen dort draußen geschehen?«, fragte Hurlocher. Gregor zuckte mit den Schultern.
»Machen Sie sich keine Sorgen um sich selbst?«
»Nein, ein Mann mit meinem Namen wird im Hause Hoechstetter sofort eine andere Beschäftigung finden.«
»Es freut mich, dass der Tod Ihres Herrn Ihnen keine existenziellen Nöte bereitet«, sagte Gregor ironisch. Diesmal zuckte Hurlocher mit den Schultern.
»Um Ihnen die Wahrheit zu sagen – einige von denen dort draußen haben in einem gut geführten Haus ohnehin nichts zu suchen. Besser, wenn sie auf die Straße gesetzt werden.«
»Wäre es nicht Ihre Aufgabe als Majordomus gewesen, für entsprechendes Personal zu sorgen?«, mischte ich mich ein. Hurlocher breitete die Arme aus.
»Ich kann nur so effizient sein, wie mein Herr mich lässt.«
»Und ...?«, half ich nach.
»Ich will nichts Schlechtes gegen die Toten sagen.«
»Wenn Stinglhammer das Regiment zu lasch geführt hat, dann fällt das Gesinde als Mordverdächtige wohl aus«, meinte Gregor.
Konrad Hurlocher riss die Augen auf. Es schien ihm noch nicht in den Sinn gekommen zu sein, dass er und die Männer und Frauen, denen er in diesem Haushalt vorstand, auf der Liste der Verdächtigen stehen könnten.
»Ich bin Herrn Stinglhammer immer eine treue rechte Hand gewesen«, erklärte er hastig. »Sein Wohlergehen hat mich stets mehr bekümmert als mein eigenes.«
Wie ich erwartet hatte, begann er, andere vorzuschieben, um noch weiter aus der Schusslinie zu kommen.
»Zwei von den Burschen da draußen kommen aus Ulm«, sagte er im Verschwörerton. »Die sollten Sie sich schon mal genauer vornehmen, Sie wissen ja, aus Ulm kommen nur Tagediebe. Die anderen sind aus Landsberg und Donauwörth. Kein einziger Augsburger darunter, man kann sich ja denken, was das bedeutet. Und die Frauen – die meisten aus schlechten Familien aus der Jakoberstraße. Die hat man doch als Kinder schon zum Stehlen erzogen.«
»Wurde viel gestohlen in diesem Haushalt?«
»Nicht mehr als üblich«, sagte er stolz. Ich dachte: und das meiste von dir, während er fortfuhr: »Ich habe ein wachsames Auge.«
Die Tür öffnete sich, und die Magd brachte eine Speckseite herein. Hurlocher lächelte sie an. »Da kommt das frischeste Fleisch, das dieses Haus zu bieten hat. Ich habe gerade zu den Herren gesagt, als Majordomus darf einem nichts vom Gesinde verborgen bleiben. Findest du nicht auch?«
»Sicher, Herr Hurlocher«, flüsterte sie.
»Sie ist eine der Guten, sie ist in Ordnung. Ein williges Kind. Bring uns noch Brot, verstanden?«
Sie nickte und schlich wieder hinaus. Gregor sah ihr mit zusammengezogenen Brauen nach und schickte dann einen finsteren Blick zu Hurlocher hinüber.
»Wie wär's, wenn Sie uns etwas über Ludwig Stinglhammer erzählten?«, schlug ich vor.
»Mein Gott, was soll ich da sagen. Wir sind alle zutiefst erschüttert. Er wollte bis spät abends in seiner Schreibstube in Herrn Ulrichs Haus bleiben; denn er sagte, wir sollten nicht auf ihn warten.«
»Wie wollte er denn nach der Ausgangssperre zurückkommen?«
»Die Hoechstetter haben das Recht, einen Wachtrupp im Rathaus anzufordern. Schließlich können die großen Häuser dieser Stadt ihre Geschäfte nicht mit den Hühnern abwickeln, da muss man schon mal eine Ausnahme machen, wenn die Arbeit drängt.«
»Hatte Herr Stinglhammer eine so wichtige Stellung im Hause Hoechstetter?«
»Das kann man sagen.«
»Dann muss er ein kluger Mann gewesen sein.«
Die Antwort kam genau so, wie ich es erwartet hatte. »Herr Hoechstetter hielt ihn dafür.«
»Und Herr Stinglhammer muss Sie für einen sehr fähigen Verwalter seines Hauses gehalten haben.«
Offenbar wusste er nicht recht, ob dieses Kompliment im Zusammenhang mit seiner zurückhaltenden Äußerung über Stinglhammers Befähigung nicht auch als Beleidigung zu werten war. Ich lächelte ihn offen an, und er lächelte verwirrt zurück.
Die Magd kam mit dem Brot herein und rettete ihn aus der Situation.
»Das war wohl so«, sagte er. »Herr Stinglhammer konnte sich auf mich verlassen. Ich weiß über alles Bescheid in diesem
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