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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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abgehalten wurden. Der letzte Raum auf der linken Seite war vollkommen leer; der Holzboden war zerkratzt, und in einer Ecke lagen Staubflusen und ein kleines Häufchen zersplitterter Holzteile, die jemand zwar zusammengefegt, aber nicht zum Abfall geworfen hatte.
    Das Schreibzimmer Karl Hoechstetters, wenn er es sich nicht mit den eigentlichen Herren des Hauses teilte, war der letzte Raum auf der rechten Seite des Ganges, ein großer Raum mit Fliesenboden in Schachbrettmuster, den ein wuchtiger, hochlehniger Stuhl in zwei Hälften teilte: zum Fenster hin in den Bereich für die Schreiber mit Arbeitsplätzen an einer langen, schmalen Bank, über die sie sich in ihren Hockern hätten kauern müssen, wenn sie anwesend gewesen wären; zur Tür hin der – ebenfalls gerade leere – Bereich für die Boten, die auf die fertig gestellten und vom Herrn des Arbeitszimmers gesiegelten Briefe warteten. An der linken Stirnseite war ein Fenster, an der rechten ein offener Türdurchgang, der in einen dunklen engen Raum führte. Ich schätzte, dass dies die Schlafkammer des Mannes war, zu dem ich geführt wurde. Es war so still in der Schreibstube, dass das Gemurmel der beiden Männer, die an der rechten Seitenwand knieten und Pergamente zwischen fünf unterschiedlich hohen Stapeln hin- und hersortierten, so laut klang wie das Gebet der Gläubigen in der Kirche. Beide sahen nicht auf, als der Stotterer und ich die Schreibstube betraten; nicht einmal, als mein Führer ohne ein Wort seine Lieferung neben einem der Stapel absetzte und damit das halbe Dutzend voll machte. Ein weiterer offener Durchgang führte an dieser Seite des Zimmers in eine Flucht von Räumen, an deren Ende die wuchtige Flanke eines großen Bettes zu sehen war.
    Einer der Männer war so schlicht gekleidet wie der stotternde Schreiber und vielleicht halb so alt wie ich. Der anderemochte in etwa mein Alter haben. Sein hagerer Körper steckte in einem teuren blutfarbenen Gewand mit Pelzkragen, das eigentlich zu warm war für die Jahreszeit, und er versteckte sein Haar unter einer kugelig runden Mütze, die ein helleres Rot als das Gewand aufwies und mit goldenen Mustern bestickt war. Sein Gesicht war verkniffen und von den Wangen abwärts von einem schütteren, mausgrauen Vollbart verunziert. Er kniete ungeschickt und so wie jemand, dem es Schmerzen bereitet. Die Füße in unmäßig langen Schnabelschuhen ragten in seltsamen Winkeln unter dem langen Gewand hervor, als gehörten sie ihm gar nicht. Ich bin kein Kenner der Mode, doch da ich selbst meine zweite Kleidergarnitur angelegt hatte, eine der teuren Zusammenstellungen, die uns Lorenzo de' Medici in Florenz aufgedrängt hatte, verfügte ich zumindest über einen Vergleich. Die Kleider des knieenden Mannes konnten beinahe mit meinen eigenen mithalten, und das siedelte sie in einer Preisklasse an, die ich mir auf eigene Kosten kaum gegönnt hätte. Er legte ab und zu Hand an, wenn sein Helfer etwas auf einen Stapel legte, wo er es nicht haben wollte, und sah ihm ansonsten verdrossen bei der Arbeit zu. Was die Arbeitsverteilung anging, schien hier oben alles so zu sein, wie es sein sollte. Doch genügte der Umstand, dass er auf dem Boden kniete, statt in seinem Herrenstuhl darauf zu warten, dass sein Unterling die manuelle Arbeit für ihn erledigte, um das Gefühl zu bestätigen, das mich während meines Wegs durch das Haus überkommen hatte: dass die Dinge außer Kontrolle geraten waren und niemand sich die Mühe machte, genau hinzusehen.
    Mein Führer nickte mir zu und drehte sich um, um zu seiner Nicht-Arbeit zurückzukehren, aber ich folgte ihm ein paar Schritte in den Gang zurück.
    »Das ist Karl Hoechstetter?«, fragte ich halblaut.
    Der Schreiber nickte.
    »Wo sind Georg und Ambrosius?«
    Der Schreiber zuckte mit den Schultern; wie es schien, hatte Karl Hoechstetter als Einziger der Familie an diesem Morgen die Arbeit bereits aufgenommen.
    »Danke für die Führung.«
    »G-g-g-gern.«
    »Was wird nun aus Ihnen und Ihrem Kameraden, nach Stinglhammers Tod?«
    Er zuckte leidenschaftslos mit den Schultern. »Stinglhammer war wohl kein angenehmer Herr.«
    »Wie k-k-k-kommen Sie darauf?«
    »Na, wenn die Aussicht auf den Verlust Ihrer Stellung Sie so wenig berührt... wie hielten es denn die anderen Bediensteten hier im Haus mit dem Toten?«
    »S-s-s-sie glauben doch nicht, jemand hier im H-h-h-h-haus ...?«
    »Was glauben Sie?«
    »W-w-w-warum fragen Sie d-d-d-as alles? D-d-das ist doch die Sache des

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