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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Partner-Assistenten-Hilfsschnüffler zu haben: Er bediente sich des Apparates, der ihm zur Verfügung stand. Der Schreiber machte ein demonstrativ uninteressiertes Gesicht.
    »Es sind Beileidsbekundungen angebracht«, sagte ich. Der Schreiber blinzelte. Ich bedauerte fast, dass ich Gregors Blinzeln nicht sehen würde, wenn er diese Nachricht erhielt. »Ich besuche das Haus Hoechstetter.«
    Der Schreiber nickte und blickte auf den Brief nieder, den ich ihm gegeben hatte. Er spielte unschlüssig damit. Als er aufsah und meinem Blick begegnete, schluckte er.
    »Falls Sie die Anweisung haben sollten, Botschaften von mir zu öffnen, am besten geht es mit einem dünnen Messer, dessen Klinge erhitzt ist. Sie fahren damit nicht zu langsam, nicht zu schnell unter dem Siegel durch. Mit ein bisschen Glück löst sich das Siegel, ohne zu zerbrechen oder zu zerschmelzen.«
    »Aber natürlich nicht ... nie im Leben ...«, stotterte der Schreiber und errötete. Er ließ den Brief fallen, als sei er mit Gift getränkt. Lächelnd verabschiedete ich mich. Als ich zur Tür hinausging, starrte er immer noch abwechselnd den Brief und mich an, und sein Gesicht brannte rot wie eine Bronzebüste von Donatello.
    Die Menschen mit und ohne Fuhrwerke, die mir auf dem Weg hinab zum Haus Hoechstetter begegneten, gingen ihren täglichen Geschäften nach, von denen sie der Nebel nicht abbringen konnte. Doch wirkten sie wie Geister, die als dunkle formlose Umrisse eine unsichere Gestalt annahmen, sich für wenige Augenblicke manifestierten, wenn sie an mirvorüberglitten, und dann auf ihrem weiteren Weg wieder zerschmolzen. Schritte, Stimmen und Geräusche waren überall um mich herum, ohne dass ihre Urheber zu sehen gewesen wären. Die Luft war bedeutend kälter als noch am Vortag, dennoch wärmer, als es von drinnen den Anschein hatte. Mit Nebel verbindet man den Duft von Rauch, den die Feuchte in die Gassen drückt, und von nasser, aufgebrochener Erde; doch es war immer noch Sommer, wenn es auch im Augenblick nicht danach aussah, und zumindest an diesem Morgen hatte noch niemand die Felder umgepflügt oder das Feuer in Herd und Kamin entzündet. Der einzige Räucherduft, der mir ab und zu in die Nase stieg, kam von den Fackeln, die an Straßenecken oder an den Hausfassaden wohlhabender Patrizier befestigt waren und durch die Trübnis blakten wie Leuchtfeuer, die in einem unbewegten Meer von Gischt schwimmen. Manchmal hörte ich ein beunruhigendes Flappen über meinem Kopf, und ich bemühte mich, mir vorzustellen, dass jemand ein Laken aus dem Fenster eines oberen Stockwerks schüttelte – und dass es nicht der Todesengel des Herrn war, der seine ledrigen Schwingen zusammenschlug, um ein weiteres Leben zu beenden. Bei dichtem Nebel mitten im August wird auch ein vollkommen nüchterner Mann zum Lauscher der Schreckgeschichten, die aus den Tiefen seiner Kindheitstage aufsteigen; abgesehen davon würde ich mich nie zur Behauptung versteigen, dass ich vollkommen frei von Aberglauben sei, Hand aufs Herz und über die linke Schulter gespuckt. Als ich von irgendwoher aus dem Nebel einen Warnruf hörte und gleich danach ein dickliches Platschen, wich ich den Hauswänden aus und hielt mich mehr in der Mitte der Gasse. Jemand mochte Schlimmeres aus einem oberen Fenster schütteln als die Wanzen in seinem Bettzeug.
    Zu meiner Überraschung war das Haus Hoechstetter nicht das am hellsten von allen beleuchtete, sondern es brannten im Gegenteil keinerlei Fackeln an den Wänden. In den Halterungen steckten die verkohlten Stümpfe der vergangenen Nacht. Irgendwo im Haus war der für solche Witterungsbedingungen übliche Befehl, die Beleuchtung ständig zu erneuern, ungehörtverhallt oder in einem tauben Ohr gelandet, und ganz offensichtlich hatten weder ein Majordomus noch ein Bediensteter bisher Muße gefunden, nach draußen zu gehen und den Mangel festzustellen. Einige der kleinen Fenster waren erleuchtet, darunter auch das, hinter dem der stotternde und der tintengesichtige Schreiber Ludwig Stinglhammers saßen. Das Haus Hoechstetter hatte schon angefangen zu leben, doch es hatte noch nicht begonnen zu funktionieren. Ein Flügel des großen Tors, durch das auch hoch beladene Wagen hätten einfahren können, stand offen, und niemand hielt mich auf, als ich eintrat.
    Aus einer schmalen Öffnung im finsteren Tordurchgang drang der Duft von geröstetem Getreide und Suppe, ein schwacher Feuerschein und eine halblaute Unterhaltung. Ein zum Teil entladener Karren

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