Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Aber essen kann ich’s nicht.«
»Nein, aber du kannst draus vorlesen. Dafür werden wir unser Essen schon kriegen. Und wenn du die magische Laute hast, kannst du die Lieder zu deinem Geklimper singen.«
An diese Möglichkeit hatte der junge Held noch gar nicht gedacht, und heimlich zollte er der lästigen kleinen Kröte Anerkennung. Aber er zeigte es ihr nicht, denn wie könnte ein tapferer Jüngling einer kleinen Maid gegenüber eingestehen, dass sie klügere Ideen hatte als er selbst? Also gab er sich weiter mürrisch und überließ es ihr, in den Schenken und Gasthöfen mit klarer Stimme die Gedichte vorzulesen, die von süßer Minne und Herzeleid sprachen. Sie bekamen meist ihre Mahlzeit dafür, und er hörte sich überall nach dem fahrenden Händler um.
Im wonniglichen Monat Mai endlich hatte er seine Spur gefunden, doch bevor er sie aufnehmen konnte, wurde Lines Stimme heiser. Ihre Nase lief, und ihre Augen schwollen zu. Heiß wurde ihre Haut, und sie redete nachts wirr im Fieber. Hilflos betrachtete der junge Held das immer magerer werdende Mädchen, das trotz allem versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Als sie eines Mittags jedoch mitten auf der Straße schwankte und niederfiel, hob er sie wie einen Sack Mehl auf die Schultern und trug sie zum nächsten Haus. Hier wollte man ihn nicht einlassen aus Furcht vor Pest und Seuchen, aber man riet ihm, die Kranke zu den Nonnen auf Rolandswerth zu bringen. Die Benediktinerinnen dort unterhielten ein Hospiz und würden sich ihrer annehmen.
Erleichtert über diese Lösung schleppte der Jüngling Line bis zur Fähre, klopfte dann an die Pforte des Klosters und lud seine Last ab.
Von dieser Bürde befreit heftete er sich endlich ernsthaft auf die Fährte des Händlers. Rheinaufwärts führte ihn die Spur, und dann, bei Linz am Rhein, fand er den Mann, der mit seinem Eselskarren auf dem Markt stand und allerlei Tand anbot. Bunte Bänder verkaufte er den Maiden, Chapels und Schleier, Ketten aus gefärbten Holzkugeln oder Glasperlen, Krüglein mit allerlei Tinkturen und Beutel mit trockenen Kräutern, die Krätze und Fallsucht heilen sollten. Der junge Held heuchelte Gefallen an dem Angebot, spähte aber dabei nach der Laute aus. In einem Lederfutteral, das musste sie sein, verborgen unter allerlei bunten Tüchern und Borten wölbte sich der Leib des magischen Instruments. Zufrieden atmete er auf - noch hatte der Händler den kostbaren Schatz nicht verkauft. Vielleicht wusste er gar nicht um dessen Wunderwirksamkeit. Aber kaum war der Jüngling seiner Beute ansichtig geworden, fiel ihm auch wieder ein, dass er keinen Gegenwert hatte, den er gegen die Laute hätte eintauschen können. Seine Kleidung bestand aus zwei rauen Hemden und abgetretenen Stiefeln, an seinem Gürtel hing das schartige Messer, in seinem Beutel klimperten drei winzig kleine Münzen. Darüber hinaus besaß er nur noch das zerlesene Buch.
Das allerdings mochte er nicht zum Tausch anbieten, auch wenn er inzwischen viele der Lieder auswendig gelernt hatte.
Also wanderte er am Gestade des Stromes entlang und grübelte.
Schließlich setzte er sich auf einem angeschwemmten Baumstamm nieder und zupfte die Reliquie aus seinem Ausschnitt. Der Fingernagel des heiligen Kunibert war in ein wenig kunstvoll geschnitztes Beingehäuse gesperrt, aber bisher hatte der Heilige ihn vor größerem Unheil bewahrt, überlegte er. War er nicht dreimal dem schwarzen Ritter entkommen? Hatte er nicht dem Lindwurm getrotzt - oder
zumindest dem Unwetter? Hatte er sich und Line nicht vor dem umstürzenden Baum retten können?
Nun, dann würde der gute Kunibert ihm auch helfen, dem Händler die Laute zu entwenden.
Zur Sicherheit betete er auch noch ein gutes Dutzend Paternoster, dann machte er sich auf die Suche nach dem Ort, an dem der Händler Unterkunft genommen hatte.
Eine schäbige Taverne war es, und der Mann hatte am Abend seinen Esel samt dem Wagen in einer wackeligen Scheuer abgestellt. Der junge Held wartete, bis es tiefe Nacht geworden war, und schlich sich dann hinein. Im Wald hatte er gelernt, sich lautlos zu bewegen, und mit Tieren hatte er eine gute Hand. Der kleine Esel blieb ganz ruhig, als er ihn kraulte, und so untersuchte er mit flinken Fingern in der Dunkelheit die Ladung. Es war nicht schwer, die Laute zu ertasten, und ganz vorsichtig zog er sie unter den Haufen von Tand hervor.
Aufregung packte ihn - das begehrte Instrument lag in seinem Arm. Er hatte das Ziel seiner Wünsche erreicht. Leise
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