Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen

Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen

Titel: Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Ryan
Vom Netzwerk:
gewesen bin. Unter meinen Augen liegen bläuliche Schatten. Auch Ians Gesicht wirkt hagerer und sein Kiefer ist angespannt. Um wie viele Jahre werden wir in dieser Nacht altern?
    » Keine Angst « , flüstert Ian mir zu. Sein warmer Atem kitzelt meinen Hals.
    Wir fahren ein paar Stockwerke nach oben, dann öffnet sich die Aufzugtür und wir betreten einen in sanften Rottönen gehaltenen Eingangsbereich mit warmer indirekter Beleuchtung. Links befindet sich ein größerer Aufzug, auf dem » Personal « steht. Die einzige andere Tür, direkt vor uns, ist aus reich geschnitztem Holz und trägt überraschenderweise kein Schild, das uns an unseren VIP -Status erinnert. Sie sieht aus, als stamme sie aus einer mittelalterlichen Burg– aus einer von der Sorte mit Verlies. Auf einmal überkommt mich der Drang, umzudrehen und nach Hause zu laufen.
    Mein Körper scheint mich zu verraten, denn Ian schmiegt seine Wange an meine.
    » Wir schaffen das, Vee. Es sind nur drei Stunden. Ich beschütze dich. « Er küsst meine Schläfe und drückt meinen Arm.
    Ein warmes Gefühl wallt in meiner Brust auf. Drei Stunden für drei Jahre Modedesign-Studium. Und – was noch mehr wert ist – für die Chance, alles wiedergutzumachen. Wenn ich bereit bin, einen so großen Schritt zu riskieren, um Karriere zu machen, muss das Mom und Dad davon überzeugen, dass ich an mich und meine Zukunft glaube. Und dann werden auch sie daran glauben. Und Sydney wird vor Freude, einen Hollywood-Agenten zu treffen, völlig ausflippen, weil es möglicherweise einen Sprung in ihre eigene Karriere bedeutet. Wir werden uns versöhnen – wir sind schon zu lange so vertraut und haben zu viel Schönes erlebt, um das einfach über Bord zu werfen. Ja, diese Preise könnten durchaus etwas bewirken. Ich kann sie für meine Familie gewinnen. Für meine beste Freundin. Für mich selbst.
    Drei Stunden. Weniger als zweihundert Minuten. Ich habe schon Filme gesehen, die länger gedauert haben. Entschlossen straffe ich die Schultern und nicke.
    Gemeinsam stoßen wir die schwere Tür auf.

ELF
    Wir betreten einen kleinen Raum mit der gleichen schummrigen Beleuchtung wie im Eingangsbereich. Die einzigen Möbel sind ein Empfangstresen und drei Sessel mit winzigen Tischchen an den Lehnen, auf denen etwas steht, was man in der Öffentlichkeit sonst nie sieht: Aschenbecher. Hinter dem Tresen befindet sich ein langer Gang, in dem nach etwa zehn Metern Licht aus einer geöffneten Tür fällt. Rechts von uns sind zwei Türen mit beleuchteten Schildern, auf denen » Ian « und » Vee « steht.
    Mein Handy summt.
    Geht zum Interview in die Kabinen.
    » Zeit, uns unsere Preise zu verdienen « , sagt Ian, küsst mich und geht in seine Kabine. Die Tür schlägt hinter ihm zu, bevor ich mehr als einen schlichten Tisch und blassgrüne Wände erkennen kann.
    Ich betrete die » Vee « -Kabine. Es riecht nach Zedernholz, an den Seiten stehen rollbare Kleiderstangen. Vermutlich wird der Raum normalerweise als Garderobe genutzt. Aber heute Abend ist er wie ein gemütliches Ankleidezimmer eingerichtet, mit einem Frisiertisch aus glänzendem Kirschholz und einem roten Ledersessel vor einem gut beleuchteten Spiegel. Ich setze mich. Auf dem Tisch liegt ein Umschlag, auf dem in Schönschrift mein Name steht. Darin befindet sich eine Karte aus schwerem, nach Flieder duftendem Papier mit einer schnörkeligen Handschrift. Wie altmodisch. Auf der Karte steht, dass ich mich zurechtmachen soll und alles dafür Notwendige in den Schubladen finde.
    Ich ziehe eine davon auf und sehe ganze Stapel kleiner Zellophanpäckchen mit dem Logo einer Kosmetikfirma, deren Produkte ich mir höchstens zu Weihnachten gönne. Sie enthalten Einzelportionen Lipgloss, Lidschatten, Wimperntusche und alle möglichen anderen Kosmetika. In der nächsten Schublade entdecke ich eine Flasche Wasser und eine kleine Isoliertüte mit kalten Kompressen. Ich nehme einen großen Schluck Wasser und drücke mir eine der Kompressen auf meine geschwollenen Augen. Die Kombination erfrischt mich augenblicklich.
    Aus einem winzigen Lautsprecher auf dem Tisch perlt Musik, und eine Frauenstimme sagt: » Du hast noch drei Minuten bis zum Interview. «
    Ich betrachte mein Spiegelbild so kritisch, wie ich es bei den Schauspielern, mit denen ich arbeite, auch tue. Fahle Haut, müde Augen, zerzauste Haare. Kein Wunder, dass Risk will, dass ich mich frischmache. Aber welche Rolle spiele ich? Die der draufgängerischen Verführerin? Das unschuldige

Weitere Kostenlose Bücher