Das stählerne Geheimnis
überrannte.
»Ich glaube, Sie haben sich geirrt«, sagte er, während der Zerstörer wieder in weitem Bogen in die Reihe der andern Schiffe einscherte.
»Oder auch nicht, Bancroft.« MacLane deutete auf die Stelle, wo der Tang gelegen hatte. »Der Ölfleck war vorher nicht da. Vielleicht erreicht der Japaner den Seeboden noch eher als Roddington mit seinen Rohren. Jetzt möchte ich wieder zurück zur Plattform und sehen, wie es dort steht. Wollen Sie mitkommen, Bancroft?«
Der Kapitän nahm den Vorschlag an. Es interessierte ihn, die Arbeiten Roddingtons aus der Nähe zu sehen, die ihresgleichen in der Geschichte der Technik bisher nicht hatten.
Zusammen mit MacLane wanderte er über die Plattform nach der Mitte hin, wo die Riesenkrane eins der gewaltigen Rohre nach dem anderen aufsetzten, wo die Kolonnen der Werkleute unter dem Kommando ihrer Ingenieure rastlos und exakt wie die Maschinen arbeiteten.
Es verschlug ihm fast die Sprache, was er erblickte. Erst hier in der Nähe kamen die ungeheuren Abmessungen der Krane, der bewegten Massen, der gigantischen Stahlseile voll zur Wirkung. Seine Augen gingen über die Skalen der Dynamometer. Schon zeigten sie viele Tausende von Tonnen an, und immer noch wurde die Riesenlast vermehrt. Mit jedem neuen Rohr gingen neue Trossen in die See.
Er packte seinen Begleiter am Ärmel. Heiser kamen die Worte von seinen Lippen.
»Das heißt Gott versuchen, MacLane! Unmöglich, daß Roddington das schafft. Es geht über Menschenwerk hinaus.«
Aufmerksam beobachtete MacLane, wie eben wieder eine Kugelschleuse mit dem Strang verschraubt und verschweißt wurde. Mit einer leichten Bewegung machte er seinen Arm frei und sagte:
»Er wird es schaffen, Bancroft. Das ist die dritte Schleuse, bei Kilometer 7,5. Der halbe Strang hängt bereits.«
Kapitän Bancroft griff sich an die Stirn.
»Die Hälfte erst, MacLane? Noch einmal die gleiche Riesenlast muß ausgelassen werden? Sehen Sie die Tausende von Tonnen, welche die Dynamometer jetzt schon zeigen? Das sind Kräfte, die menschliche Technik nicht meistern kann und niemals wird meistern können.«
MacLane deutete auf die unendlichen Kabelmengen, die weithin die große Plattform bedeckten.
»Sehen Sie sich das an, Bancroft! Jedes Kilogramm, das die Stahldrahtseile zu tragen haben, ist sorgsam berechnet. Die Kabel wurden nach der Berechnung gesponnen. Keine Trosse wird brechen. Noch einmal sechsundreißig Stunden – und der Strang stößt auf den Seeboden und bohrt sich so, wie es auch berechnet wurde, mit seinem Gewicht in ihn ein.«
»Ich möchte es glauben, MacLane, aber noch kann ich es nicht glauben. Wenn es wirklich gelingt, wenn alles so glückt, wie Ihr Freund da drüben es geplant und berechnet hat – was für ein Ruhmestag würde es für Roddington, für unsere Marine, für uns alle sein!«
»Noch sechsundreißig Stunden, Bancroft, dann werden Sie glauben müssen, was Sie jetzt nicht glauben wollen. Die Stunden, die wir heute miterleben, werden wir wohl niemals vergessen.«
Dämmerung und Nacht kamen auf. Beim Schein der aufflammenden Starklichtlampen konnte Bancroft beobachten, wie die Kolonnen Roddingtons durch frische Mannschaften abgelöst wurden. Exakt, in einer fast militärischen Form vollzog sich der Schichtwechsel in kürzester Zeit, ohne daß die Arbeiten auch nur einen Augenblick ins Stocken gerieten. Er konnte mit seiner Anerkennung nicht zurückhalten.
»Tadellos! Ganz vorzüglich! Die Leute sind wirklich gut gedrillt.«
»Das hat ihnen der deutsche Doktor beigebracht«, antwortete MacLane lachend. »Schon vor vier Wochen ließ Roddington seine besten Leute aus Trenton nach Davao kommen. Mit ihnen hat Doktor Wegener dann Tag für Tag jeden Griff, jeden Handschlag, jede Bewegung geübt, bis alles wie am Schnürchen ging. Wer nicht mitmachen wollte, wurde wieder nach Hause geschickt. Die andern, die bei der Sache waren, erhalten seit einem Monat doppelten Lohn.«
»Ein teurer Spaß, mein lieber MacLane.«
»Roddington weiß, warum er es tut. Das Geld ist gut angelegt, Bancroft. Sie sehen ja, wie seine Leute eingefuchst sind, wie jeder Schlag und jeder Griff sofort sitzt. Wie ein Uhrwerk läuft das Ganze seit siebenunddreißig Stunden, und wie ein Uhrwerk wird es noch vierunddreißig Stunden weiterlaufen, bis das Werk vollendet ist.«
»Ich muß es zugeben, MacLane. Aber wie steht’s mit der oberen Leitung? Einundsiebzig Stunden sind eine lange Frist. Wollen Roddington und der Doktor Wegener die ganze
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