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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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sein.“
    „Wir werden uns wiedersehen“, sagte der Mann.
    „Ich weiß. Das muss wohl so sein. Wie haben Sie es diesmal angestellt?“
    Der Mann lachte leise und hob die Augenbrauen.
    „Oh, das war nicht allzu schwierig. Eine verwirrte alte Frau, Krankenschwestern, die keine Zeit haben, einen Namen zu überprüfen, unklare Familienverhältnisse. Du glaubst nicht, wie einfach es war, mich als deinen verschollenen Bruder auszugeben. Ein Glasschneider, ein geschicktes Händchen. Du musst zugeben, dass ich diese günstige Gelegenheit kaum verstreichen lassen konnte.“
    Verschollener Bruder? Julius nickte langsam. Er hatte verstanden. Er fragte sich nicht einmal, wie es dazu gekommen war, dass der Bildermörder in seine Nähe kommen konnte. Es war, als erschlafften langsam all seine Gedanken. Nicht einmal ein Fluchtinstinkt oder die Vorstellung, den Mann einfach niederzuschlagen, fanden in seinem Kopf Platz.
    „Dann haben Sie mir sicher auch schon eine höhere Bestimmung zugedacht?“, wisperte er.
    „Du erkennst einfach alles, Julius Pawalet. Ich bewundere dich. Deine Mutter wusste nicht, was sie an dir gehabt hätte.“
    In Julius’ Augenwinkel stieg ein feuchtes Brennen. Er räusperte sich krampfhaft und sagte: „Wen wundert das? Wo wir doch Brüder sind.“
    ***
    Inspektor Lischka zwang sich, seinem Freund ruhig zuzuhören. Er musste sich beherrschen, um ihn nicht bei den Schultern zu packen und zu schütteln. Doch die Enttäuschung darüber, dass es ganz leicht gewesen wäre, den Mann zu schnappen, der Wien ein weiteres Mal erzittern ließ, raubte ihm fast den Verstand.
    Er nahm einen großen Schluck aus der Schnapsflasche, bevor er sich steif auf einen Stuhl setzte und Julius anfunkelte.
    „Du bist der größte Trottel, der mir jemals untergekommen ist … mein Repertoire an Flüchen und Verwünschungen reicht überhaupt nicht aus, um dir klarzumachen, was du da getan hast!“, presste er hervor. Jedes Wort fühlte sich auf seiner Zunge an wie saures Erbrochenes. Er trank noch einen Schluck Weinbrand.
    „Wie konntest du diesen Kerl nur entkommen lassen?“
    „Überleg doch mal, was passiert wäre, wenn ich das getan hätte, was du gesagt hast!“
    „Du hättest ihm eins überziehen und ihn so lange festhalten sollen, bis die Gendarmen eingetroffen wären, du granatenmäßig dummer … Du wirst niemals mein Assistent als Detektiv, wenn du in so einem Moment nicht handelst!“
    Julius hätte ihm eigentlich leidtun müssen, wie er da zitternd und blass vor ihm stand. In diesem Moment fiel Lischka ein, dass das neueste Mordopfer ja Julius’ eigene Mutter war. Er schüttelte kurz den Kopf und streckte die Hand aus.
    „Komm her, Julius. Setz dich, und trink was. Du stehst ja unter Schock.“
    Er goss ein Glas mit Weinbrand voll und nötigte Julius, nachdem der sich ebenfalls gesetzt hatte, einen Schluck zu trinken. Julius kippte das ganze Glas hinunter und verzog das Gesicht.
    „Wenn ich das getan hätte, was du sagst, weißt du, was dann passiert wäre? Du vergisst wohl, dass ich in dem Fall selbst verdächtig bin. Ich habe der Polizei die Zusammenhänge mit dem Kunsthistorischen Museum aufgezeigt. Du hast damals selber eine Weile gebraucht, bis du dein Misstrauen abgelegt hast. Ich bin der Sohn der Frau, die ermordet worden ist. Ich kenne mich mit den Gemälden im Museum aus. Man hätte mich sofort festgenommen. Wer hätte mir geglaubt?“
    Er rieb sich mit den Händen über das Gesicht. „Außerdem … es war fast so, als hätte er mich hypnotisiert. Ich war wie gelähmt, als ich erkannt habe, wer das war. Ich war vollkommen unfähig, etwas zu tun.“
    Lischka nickte und tätschelte Julius die Schulter. Seine Wut legte sich langsam. Aber in seinem Innern tobte die Ungeduld wie ein Wirbelsturm. Es kostete ihn seine ganze Kraft, auf dem Stuhl sitzen zu bleiben.
    „Wie hast du ihn erkannt?“, fragte er leise. Er wusste, dass sein Freund recht hatte. Es war so, als hätte er die geheimnisvolle Fähigkeit, Dinge zu spüren, zu sehen, auf die der Inspektor nur durch Indizien und Beweise kommen konnte. Er war überzeugt, dass Julius dem Bildermörder tatsächlich gegenübergestanden hatte.
    „Ich weiß nicht. Er hat so provozierende Dinge gesagt und unser Gespräch in eine Richtung gelenkt, sodass er sich zu erkennen geben konnte. Ich habe es einfach gespürt. Außerdem ist das der Mann, den ich damals im Museum gesehen habe. Er sieht wirklich sehr unauffällig aus. Ganz blass, und sein Gesicht ist

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