Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Doch oftmals fühlte sich Eadulf nicht völlig sicher als Fremder in diesem Land.
Er wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, als die Tür aufging und Fidelma hereinkam.
»Seid ihr fertig, ihr beiden?«, fragte sie heiter.
»Ja, ja, ja!«, rief Alchú. »Geht es jetzt los? Gehen wir reiten?«
»Gleich ziehen wir los«, bestätigte sie ernst und vergewisserte sich, ob der Junge die richtigen Sachen für den Ausritt anhatte. Dann gingen sie und Eadulf mit dem Jungen hinunter in den Burghof.
Gormán stand bereits dort mit den gesattelten Pferden. Für Alchú war das ein geschecktes Pony und für Eadulf ein kurzbeiniger Brauner, mit dem er sich mittlerweile angefreundet hatte. Fidelma ritt wie immer ihren gedrungenen Rappen, den sie Aonbharr, »den Unübertrefflichen«, nach dem Ross nannte, mit dem Mannanán Mac Lir, der Gott des Ozeans, über die Wogen flog. Der junge Krieger begleitete sie auf seinem stämmigen Streitross.
»Wo reiten wir denn hin?«, fragte Alchú. Er saß locker und furchtlos auf seinem Pony, wofür ihn Eadulf, der sich im Sattel nie recht wohl fühlte, im Stillen bewunderte.
»Wir reiten ein kurzes Stück nach Osten zum rath von Ordan«, gab Fidelma dem Kind Bescheid.
»Was ist ein rath ?«
»Das kann allerlei bedeuten – irgendwelche Sachen, Hab und Gut, das als Pfand in einem Rechtsstreit hinterlegt wird …«
Der Junge schaute sie verständnislos an, und sie begriff, dass sie wie ein Anwalt geredet hatte. Gormán sprang ein und wusste es anschaulicher zu erklären.
»Ein rath ist auch der Befestigungswall um eine Wohnstätte eines Stammesfürsten, es kann sogar seine Festung sein.«
»Oh, reiten wir zu einer Festung?«, fragte Alchú aufgeregt.
»Eine richtige Festung ist das rath von Ordan eigentlich nicht«, murmelte Gormán. »Es soll nur so aussehen, als wäre es die Befestigung eines Stammesoberen, bloß Ordan ist gar kein Stammesführer.«
Doch Alchú hörte schon nicht mehr hin, war nur darauf bedacht, sein kleines Pony zwischen den großen Pferden von Fidelma und Eadulf aus dem Burghof zu lenken. Gormán bildete die Nachhut.
Sie ritten vom Burgfelsen hinab zur Straße, die zu den Bergen im Osten führte. Auf halbem Weg kam ihnen ein Mann entgegen. Er war schon älter und so gekleidet, dass man ihn leicht als Schäfer erkannte. Es war Muirgens Ehemann.
»Hallo, Nessán«, rief ihm Fidelma zu.
Klein-Alchú strahlte übers ganze Gesicht und winkte heftig. »Niis-oon, Niis-oon!«, jubelte er.
Leicht verunsichert berührte der Schäfer zum Gruß die Stirn. In Gegenwart von Fidelma und Eadulf fühlte er sich immer unwohl, obwohl seine Frau die Amme des kleinen Alchú war. Er konnte nicht vergessen, wie es damals war, als ein Räuber den Säugling Alchú gekidnappt hatte. Ihm und seiner Frau hatte er das Kind aufgedrängt, sie sollten es aufziehen und Schäfer werden lassen. So wollte es der Kidnapper, der niederträchtige Uaman, der Herr der Bergpässe. Er handelteaus purer Rache. Nessán und Muirgen mussten den Jungen verbergen, erfuhren aber nicht, wessen Sohn er wirklich war. Fidelma und Eadulf hatten ihren Sohn dann aufgespürt, und anstatt das ältliche Paar für die Rolle zu bestrafen, die es unwissentlich übernommen hatte, boten sie Muirgen an, in Cashel Alchús Kinderfrau zu werden. Nessán erhielt die Aufgabe, Colgús Schafherde zu hüten.
Nessán räusperte sich verlegen. »Ich mache mir Sorgen wegen des Anschlags auf deinen Bruder, Lady. Es geht ihm doch hoffentlich schon besser?«
»Es geht ihm so, wie man es im Augenblick nicht anders erwarten kann.«
»Ich werde ihn in meine Gebete einschließen, Lady.«
»Vielen Dank, Nessán. Gut, dass wir uns hier auf der Straße begegnet sind. Vielleicht kannst du uns helfen?«
»Soweit es in meinen Kräften steht, herzlich gern.«
»Bist du heute schon früh am Morgen unterwegs gewesen?«
»Wie du weißt, hüte ich die Schafe auf den Bergwiesen hinter dem Burgfelsen. Aber gestern Abend ist es ziemlich spät geworden. Ich war lange in Rumanns Schenke unten im Ort, und da bin ich heute erst nach Sonnenaufgang losgegangen, um nach den Schafen zu sehen. Die grasen zurzeit gerade oben auf dem Ödland.«
» An Screagán meinst du, ich weiß, wo das ist.« Sie war enttäuscht, denn Dellas Behausung lag am anderen Ende der Ortschaft. »Kennst du nicht ein paar andere Schäfer hier in der Gegend, welche, die ihre Herden westlich von der Stadt auf die Weide treiben?«
»Na schon, wir kommen immer zusammen, wenn die
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