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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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auf die doppelflügelige helle Holztür, auf die der alte Mönch nun zutrat.
    Vorsichtig klopfte er an, öffnete die Tür einen Spaltbreit und bat die Gäste, ohne die Antwort des Abtes abzuwarten, in den Raum.
    Der Anblick, der sich ihnen bot, überraschte sowohl Jana als auch Doktor Pfeiffer. Der Raum war langgestreckt und riesig, er glich eher dem Prunksaal eines wohlhabenden Adeligen als dem Wohnzimmer eines Abtes. Vor allem war er das genaue Gegenteil zu der kargen Kammer in Dijon. Offenbar liebte Abt Etienne den Luxus und die schönen Dinge des Lebens und geizte nicht. An den Wänden hingen riesige Ölgemälde biblischer Szenen in düsteren Farben. Auf einem reichverzierten Schrank standen eine goldene Madonna sowie ein mit Edelsteinen geschmücktes Kreuz. Über dem Tisch hing ein Kerzenleuchter, auf dem bereits acht Honigkerzen brannten, obwohl von draußen noch genug Licht durch die hohen Fenster fiel. Es roch nach Rosenblüten, und Jana entdeckte auf dem Boden eine herrliche Schale aus kostbarem, fast durchsichtigem weißen Porzellan, in der die wohlriechenden Blütenblätter schwammen. Neben ihr erhob sich eine bestimmt sündhaft teure Schrankuhr aus dunklem Kirschholz. Vermutlich hätte man allein mit dem Gegenwert der Uhr drei sechsköpfige Familien ein ganzes Jahr lang ernähren können. Woher auch immer der Reichtum stammte, der Abt scheute sich nicht, ihn zu zeigen. Ganz im Gegenteil, er stellte ihn demonstrativ zur Schau.
    Abt Etienne selbst war ein stattlicher Mann mit einem ebenmäßigen Gesicht und leicht ergrauendem Haar. Unter seiner Kutte aus weichem, feinen Wollstoff war der Ansatz eines Bäuchleins zu erkennen. Jana blickte auf seine gefalteten Hände, die sorgfältig manikürt waren. In jungen Jahren musste er ein ungewöhnlich schöner Mann gewesen sein, und auch jetzt, trotz seines fortgeschrittenen Alters, konnte man ihn noch gutaussehend nennen. Er schien großen Wert auf sein Äußeres zu legen, was die schulterlangen Locken bewiesen, die eindeutig das Ergebnis eines Brenneisens waren.
    Er empfing seine Gäste mit einem betont freundlichen Lächeln, das aber seine hellen Augen mit den ungewöhnlich langen Wimpern nicht erreichte. Sein Blick blieb kalt.
    »Seid willkommen und nehmt Platz«, sagte der Abt und wies mit seiner feingliedrigen zarten Hand auf die Stühle rund um den festlich gedeckten Tisch. Er hatte sowohl das beste Tischtuch als auch das feinste Tafelgeschirr aus seinen Schränken holen lassen. Unter dem Tisch lag ein Teppich, der so dick und weich war, dass man ihn als Matratze hätte verwenden können. Sicher hatte ein ganzes Heer von geschickten Teppichknüpfern monatelang daran gearbeitet. Kaum, dass Jana saß, schlüpfte sie auch schon vorsichtig aus ihrem kaputten Schuh und vergrub ihre geschundenen Zehen in der herrlich weichen Wolle.
    »Es freut mich, dass Ihr meine Gäste seid, und ich bin Euch dankbar, dass Ihr Sebastian zurückgebracht habt. Ich habe gehört, er hat in Dijon eine unerfreuliche Zeit verbracht, und das tut mir aufrichtig leid.« Der Abt lächelte insbesondere Jana an, die sich immer mehr vorkam wie in einem Theaterstück. Bloß, dass die Requisiten hier aus echtem Gold und Silber statt aus Pappmaché waren und der Mann vor ihr kein Schauspieler, sondern ein kirchlicher Würdenträger. Jana fühlte sich zusehends unwohl. Ein Blick in Pfeiffers Gesicht verriet ihr, dass der Arzt ähnlich empfand.
    Auf einem kleinen Tischchen standen eine Karaffe mit Wein und Gläser aus Bleikristall. Noch nie hatte Jana aus einem so wertvollen Gefäß getrunken.
    Der alte Mönch trat an das Tischchen, ergriff die Karaffe und schenkte schwungvoll Wein ein. Die dunkelrote Flüssigkeit funkelte im Glas wie fein geschliffene Rubine. Jana zögerte, als der Alte zuerst ihr und Pfeiffer und dann dem Abt eines der wertvollen Gläser reichte. Das durchsichtige Glas, das so leicht und fein aussah, als bestünde es aus einer Mischung aus Luft und Goldstaub, war überraschend schwer.
    »Auf Euch, die Ihr Sebastian gesund zu uns zurückgebracht habt«, sagte der Abt und erhob sein Glas. Dann führte er es zum Mund und nahm einen kräftigen Schluck.
    Jana roch an der roten Flüssigkeit. Es war Wein aus Bordeaux, schwer und gehaltvoll mit einem Duft nach Eichenfass und schwarzer Johannisbeere. Bestimmt schmeckte er vorzüglich, aber Jana wollte einen klaren Kopf behalten und nippte bloß daran.
    Auch Doktor Pfeiffer nahm nur einen kleinen Schluck und stellte sein Glas beinahe

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