Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Jana, kommt!«, rief er dann und lief los. Jana hob ihre Röcke und rannte ihm hinterher, wobei sie für jeden seiner Schritte zwei machen musste. Vor der Küche saß Gerard an die warme Steinmauer gelehnt und genoss den lauen Sommerabend, er war mit dem Abendessen offensichtlich schon fertig.
»Wo ist Sebastian?«, rief Pfeiffer außer Atem.
»In der Küche bei Louise, wo denn sonst?« Verwirrt sah der Mönch die beiden an, die wie vom Teufel gejagt durch den Kräutergarten rannten.
»Gerard, würdet Ihr uns einen Gefallen tun und unsere Pferde satteln?«
»Aber ja … was ist passiert?«
»Es bleibt uns wirklich nicht viel Zeit, aber es geht um Leben und Tod!«, rief Pfeiffer dramatisch.
Ohne weitere Fragen zu stellen, erhob der dicke Mann sich schwerfällig und eilte, so schnell er konnte, in die Stallungen.
In der Küche saß Sebastian an dem großen Tisch und löffelte einen Teller voll Knoblauchsuppe. Jana stürzte auf ihn zu und riss ihm den Teller weg, klirrend fiel der Löffel zu Boden, und der Inhalt der Suppe landete auf Sebastians Kutte. Jana hielt prüfend ihre Nase über die Schüssel. Aber diese Suppe enthielt kein Gift, das roch sie sofort.
»Was ist denn los?«, fragte der Junge verwirrt.
»Wir erklären dir alles später. Aber jetzt müssen wir los und zwar rasch. Der Abt hat versucht, uns zu vergiften. Er glaubt, dass wir innerhalb der nächsten Stunden in den Betten des Gästehauses elend sterben werden. Bevor er nach unseren Leichen sucht, sollten wir weit weg vom Kloster sein. Und ich glaube, dass es auch für dich besser ist, zu gehen.«
Louise stellte sich schützend vor ihren Sohn. »Ich lasse nicht zu, dass Sebastian wieder fortgeht. Er gehört zu mir.«
»Louise, ich glaube, dass man versuchen wird, auch Sebastian zu töten. Und falls man herausfindet – oder auch nur vermutet –, dass Ihr von den Reisetagebüchern wisst, werdet auch Ihr hier nicht mehr sicher sein. Es wäre besser, Ihr lasst ihn ziehen, und das Allerbeste wäre, Ihr würdet ihn begleiten.«
Die zierliche, kleine Frau rang nervös die Hände. »Aber wo sollen wir denn hin? Hier haben wir ein Dach über dem Kopf und genug zu essen. Ich bin Witwe, ohne Einkommen und Haus, und habe einen Sohn, der ständig hungrig ist.«
»Mutter, isch ’abe dir erzählt von die Koch in Cluny. Er nimmt uns auf, alle beide«, sagte Sebastian eifrig.
Louise wirkte hin- und hergerissen, aber Jana nickte ihr aufmunternd zu. »Bedrich ist ein guter Mann. Er hat versprochen, dass Sebastian bei ihm eine Lehre beginnen kann. Er wird auch Euch nicht fortschicken.«
Louise war immer noch nicht überzeugt. Das ging ihr alles eindeutig zu schnell, aber die Zeit drängte.
»Wir müssen los!«, insistierte Pfeiffer.
»Einen Augenblick noch«, sagte Louise. Dann drehte sie sich entschlossen um und packte dann, so schnell sie konnte, ihr Hab und Gut zusammen, das allerdings bloß aus ein paar Kleidungsstücken, einem Kochtopf und einem scharfen Messer bestand. Sie verschnürte alles in einem großen Sack und stand wenig später abreisebereit vor ihnen. Sebastian strahlte seine Mutter glücklich an. So schnell, wie sie gepackt hatte, war er aus seiner Kutte geschlüpft und steckte nun wieder in Hose und Hemd.
»Dann wollen wir keine Zeit verlieren«, rief Jana.
Vor der Küche wartete Gerard bereits auf sie, und Louise erklärte ihm aufgeregt, dass sie mit Sebastian fortgehen müsse.
»Ich habe die Pferde zum Hintereingang gebracht«, erklärte er. Der Mönch sprach abwechselnd in seiner Muttersprache für Louise und in Latein für Jana und Pfeiffer. »Vorne an der Pforte sitzt der alte Philippe und überwacht jeden, der ins Kloster kommt und es verlassen will.«
»Ich wusste gar nicht, dass es einen zweiten Eingang gibt«, meinte Louise überrascht.
Gerard grinste listig. »Die allerwenigsten wissen davon. Er befindet sich in einer kleinen Seitennische und ist mit wildem Wein überwachsen. Es hat Vorteile, in der Bibliothek zu arbeiten, denn dort gibt es einen genauen Plan der Klosteranlagen. Mein Vorgänger hat ihn angefertigt, er war an Architektur interessiert.«
Er zeigte ihnen den Weg und eilte dann noch einmal zu den Stallungen, um auch noch für Louise ein Maultier zu satteln.
Als er zurückkam, sagte er zu ihr: »Ich habe schon geahnt, dass du Sebastian diesmal nicht allein fortgehen lässt«, sagte er und zwinkerte mit beiden Augen ein paar Tränen weg. »Auch wenn es mir das Herz bricht, euch beide zu verlieren.«
Die
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