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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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auffallendes Blau gehabt. Aber sie neigt zu Übertreibungen. Mir ist nichts aufgefallen.«
    Janas Herz setzte für einen Moment aus, um dann rasend schnell weiterzuschlagen. Hoffnung keimte in ihr. Vielleicht war Pfeiffer doch noch am Leben? Aber warum hatte er nicht nach ihr gesucht?
    »Wo ist der Mann jetzt?«, wollte sie aufgeregt wissen.
    Der Wirt zuckte mit den Schultern und fragte wieder seine Frau. Die gab erneut eine ausführliche Antwort, und Jana verstand das Wort »Lissabon«.
    Pfeiffer war also ohne sie nach Lissabon weitergereist. Wie konnte er das tun, ohne nach ihr zu suchen? In ihre Freude, die eben noch vorgeherrscht hatte, mischten sich nun Enttäuschung und Wut.
    Während sie sich nach ihm verzehrte, um ihn trauerte, setzte er die Reise offenbar einfach fort, und zwar allein, ohne sie. Die Küsse auf dem Schiff hatten wohl doch nur für sie Bedeutung gehabt. Jana kam sich plötzlich sehr dumm und naiv vor.
    Josés Frau richtete erneut das Wort an ihren Mann und bat ihn dann, das Gesagte für Jana zu übersetzen.
    »Meine Frau glaubt, dass er mit einem Kaufmann aus La Coruña weiterreisen wollte. Der zieht jedes Jahr mit einem ganzen Tross nach Lissabon. Er bringt Schafwolle, die er billig im Norden einkauft, in den Süden und verdient sich damit eine goldene Nase.«
    »Ist der Kaufmann schon abgereist?«, erkundigte sich Jana.
    Die Frau deutete an, dass sie es nicht wusste.
    Der Wirt erwiderte: »Der Kaufmann wohnt immer im Gasthaus ›A la puerta de la catedral‹ am Eingang zur Kathedrale. Es ist die teuerste Unterkunft in der Stadt.« Der Wirt rümpfte die Nase, hielt sich die Hand vor den Mund und flüsterte in abfälligem Tonfall: »Aber nicht die Beste, das schwöre ich Euch. Der Wirt spart mit dem Fleisch im Eintopf und gibt dreimal so viele Bohnen hinein wie ich. Und sein Wein ist gewässert.«
    Jana nickte, auch wenn es ihr völlig gleichgültig war, wie viele Bohnen andere Wirte in ihre Eintöpfe rührten. Alles, was sie im Moment interessierte, war, ob Pfeiffer noch am Leben war. Vielleicht hatte er sogar die Tagebücher und Landkarten retten können? Energisch stand sie von ihrem Stuhl auf und erklärte dem Wirt, dass sie zu der Herberge wolle, in der der Kaufmann wohnte. Sie entschuldigte sich bei Maria und versprach, bald zurückzukommen. Die alte Frau wollte sie begleiten, aber Jana bedeutete ihr, das sei nicht nötig.
    Als Jana auf die geschäftige Straße trat, fühlte sie sich zum ersten Mal seit langem wieder lebendig. Sie vernahm das bunte Stimmengewirr, sah die vielen Menschen aus aller Herren Länder und machte sich mit neuer Kraft auf den Weg ins Zentrum der Stadt.
    Vor dem Eingang zur Kathedrale drängte sich eine Menschentraube. Zahlreiche Verkäufer mit Bauchläden liefen herum und boten lautstark Reliquien diverser Heiliger, Jakobsmuscheln und kleine Kruzifixe an. Jana lehnte sowohl einen Fingernagel der heiligen Barbara als auch eine schwarze Locke der heiligen Magdalena dankend ab, stattdessen drängte sie sich an den enttäuschten Händlern vorbei und ging über den Platz zur Herberge.
    Dort blieb sie ratlos stehen. Falls Pfeiffer noch in der Stadt war, wie sollte sie ihm begegnen? So verärgert, enttäuscht, verletzt, wie sie sich gerade fühlte, oder doch voller Freude, weil er überlebt hatte? Auf einmal herrschte ein wildes Durcheinander in ihrem Inneren. Noch konnte sie ja nicht einmal sicher sein, ob Pfeiffer überhaupt noch am Leben war. Wien war eine große Stadt, da konnte es schon vorkommen, dass zwei Männer mit strahlend blauen Augen im Norden Spaniens unterwegs waren.
    In diesem Moment hörte sie eine vertraute Stimme fragend ihren Namen aussprechen.
    »Jana?«
    Sie drehte sich um, und da stand Conrad Pfeiffer. Was sich auf seinem Gesicht abspielte, war schwer in Worte zu fassen. Überraschung, Schrecken und Freude wechselten sich ab. Ganz kurz zögerte er, dann eilte er mit einem einzigen großen Satz auf Jana zu und schloss sie in seine Arme. Er küsste ihr Haar, ihre Wangen und ihre Nasenspitze, schob sie auf Armlänge von sich weg, um sie anzusehen, und umarmte und küsste sie erneut.
    »Du bist es wirklich!«, sagte er und schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Warum habt Ihr denn nicht nach mir gesucht?«, fragte Jana mit deutlichem Vorwurf in der Stimme.
    »Ich habe Tag und Nacht nach dir gesucht«, sagte Pfeiffer. »Ich bin durch jedes Dorf zwischen dem Meer und Santiago gelaufen, habe überall den Strand abgesucht, aber es gab kein Lebenszeichen von

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