Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
dir. Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Vor drei Tagen habe ich beschlossen, die Suche aufzugeben und die Stadt zu verlassen. Die Vorstellung, dass du irgendwo da draußen auf dem Meeresgrund liegst, war mir unerträglich. Ich hätte hier keine Luft mehr zum Atmen gefunden. Wo warst du?«
»Bei Maria, einer Witwe, die mir das Leben gerettet hat. Und wo wart Ihr?«
Pfeiffer hielt sein Gesicht ganz nah an das von Jana, sie konnte jede seiner Sommersprossen sehen. Er strich ihr über das Haar, sah sie ernst an und sagte zärtlich: »Jana, meinst du nicht, es wäre an der Zeit, mich endlich mit meinem Vornamen anzusprechen?«
Sie errötete und sagte leise: »Conrad!«
Es hörte sich gut an, aber er erstickte den zweiten Teil seines Namens mit einem Kuss.
Später begleitete Conrad Jana zurück zur Herberge, in der Maria wartete. Die alte Frau freute sich sehr, dass Jana endlich gefunden hatte, wonach sie so dringend gesucht hatte. Lebhaft sprach sie in ihrer eigenen Sprache auf Jana ein, ergriff Janas Hände und legte sie an ihre roten Wangen. Sie waren ganz weich, so wie Jana es erwartet hatte. Dann bedankte sich Jana überschwänglich bei Maria und verabschiedete sich zugleich von ihr.
In den letzten Wochen hatte Jana sich so oft von lieben Menschen verabschiedet, aber es wurde dadurch nicht leichter. Conrad wollte Maria Geld für Janas Pflege und die Unterkunft anbieten, doch Maria schüttelte fast beleidigt den Kopf. Sie winkte Jana ein letztes Mal freundlich zu, bevor sie auf ihren Wagen stieg und sich auf die Rückreise machte zu ihrem Häuschen, wo ihr Hund und die Katzen auf sie warteten.
Nun erfuhr Jana, dass sich in dem Holzfass, an das Conrad sich nach dem Schiffbruch geklammert hatte, sowohl seine medizinischen Instrumente wie auch der Geldsack und die Reisetagebücher befunden hatten. Nachdem er über Deck geschleudert worden war, hatte er sich daran festgehalten und war ebenfalls an dem Sandstrand angespült worden, allerdings ein gutes Stück weit von Marias Haus entfernt. Er hatte dann einen Bauern bezahlt, der ihn nach Santiago de Compostela gebracht hatte.
»Ich habe eine Kammer in der Herberge ›A la puerta de la catedral‹ gemietet, der Kaufmann Miguel Don Marco bricht morgen nach Lissabon auf«, erklärte Conrad.
»Du willst mit einem Händler reisen?« Jana wusste, wie ungern Conrad sich anderen Menschen anschloss.
»Nun ja, von Schiffen habe ich vorerst genug.«
Dieses Gefühl teilte Jana aus ganzem Herzen.
»Der Preis, den Don Marco verlangt, ist lächerlich gering im Vergleich zu der Summe, die der Kapitän der ›Santa Maria‹ wollte.«
»Hast du dem Seemann die Summe denn schon vor Antritt der Reise bezahlt?«, fragte Jana. Es war erstaunlich, wie problemlos ihr das Du über die Lippen ging.
»Nur einen Teil. Den Rest sollte er bei unserer Ankunft in Porto erhalten.«
Jana verzog schmerzlich den Mund. »Es war auch so eine teure Reise. Marie ist tot, und dein Pferd ist ebenfalls im Meer ertrunken.«
»Aber wir beide sind am Leben, und das allein zählt«, sagte Conrad. Er blieb mitten auf der Straße stehen und nahm Jana sanft in den Arm, um sie zu küssen. Eine ältere Frau blieb empört neben ihnen stehen und räusperte sich lautstark.
»Bevor man uns wegen unzüchtigen Verhaltens ins Stadtgefängnis steckt, sollten wir lieber in die Kammer gehen, die ich gemietet habe«, sagte Conrad. Er nahm Jana an der Hand und führte sie in die Herberge. Sie folgte ihm bereitwillig die schmale Holztreppe in den zweiten Stock des schmalen, hohen Gebäudes. Die Kammer war winzig, das Bett, das sauber und frisch aussah, füllte sie fast vollständig aus.
Conrad schloss die Tür hinter sich und bedachte Jana erneut mit einem zärtlichen Blick.
»Und jetzt?«, fragte sie etwas verunsichert.
Conrad trat zu ihr und drückte sie sanft aufs Bett.
»Jetzt ziehe ich dir dieses schrecklich altmodische Kleid mit dem hässlichen Spitzenbesatz und den lächerlichen Glasperlen aus«, sagte Conrad leise.
Jana wehrte sich nicht.
Die Kirchturmglocken riefen die Pilger und Gläubigen zur Abendandacht, als Jana zufrieden und glücklich die Augen schloss. Sie lag auf Conrads Brust, konnte seinen Herzschlag spüren und seine Haut riechen. Es war eine wundervolle Mischung aus Sonne, Sandelholz und Conrad.
Weder Bedrich noch Tomek wäre es je gelungen, sie so glücklich zu machen wie Conrad eben.
»Woran denkst du?«, fragte er schläfrig.
»Dass ich am liebsten jede deiner Sommersprossen küssen
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