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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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lächerlich.
    Da man in Ulm keine weitere Vorstellung der Truppe sehen wollte, fuhren sie noch am Nachmittag weiter, an der Donau entlang in Richtung Westen. Der mächtige Fluss, der fast ganz Europa durchquerte, war hier noch klein und sanft. Er zog wunderschöne, malerische Schlingen durch eine saftig grüne Landschaft, die immer wieder von felsigen Anhöhen durchbrochen wurde. Es sah aus, als hätte sich das Wasser mit einem scharfen Messer über die Jahrhunderte hinweg einen glatten Weg durch die grauen Felsbrocken geschnitten. Jana war beeindruckt von dem leuchtenden Dunkelblau des Flusses, er schien dem Himmel Konkurrenz machen zu wollen. Zeit ihres Lebens hatte Jana die Moldau gekannt und den Fluss immer sehr gemocht. Aber jetzt erschien ihr das schlammige Graublau matt im Vergleich zu dieser Farbgewalt.
    Auf den Hängen rechts und links des Flusses lagen Burgruinen, Relikte einer Zeit, in der Ritter noch um ihre Ehre kämpften und die Gunst einer Dame mit einer Blume besiegelt wurde. Daneben wuchsen die ehrgeizigen Bauten reicher Adeliger in die Höhe, Schlösser, deren Prunk schon von weitem vom Reichtum und vom gesellschaftlichen Ansehen ihrer Besitzer kündeten. Ganz anders die Dörfer, durch die sie kamen. Sie waren ärmlich, winzige Fachwerkhäuser mit dünnen Strohdächern, die nur notdürftig Schutz gegen Regen und Schnee boten. Die meisten Häuser waren windschief und erweckten den Eindruck, als würden sie beim geringsten Windstoß zusammenfallen wie Kartenhäuser. Davor saßen alte Frauen auf Holzbänken, putzten Gemüse und beaufsichtigten die Kinder, während die Eltern auf den Feldern und Weiden arbeiteten. In der Ferne sah Jana Wiesen, auf denen Kühe und Schafe grasten. Vermutlich waren diese Tiere die Haupteinnahmequelle der Menschen in dieser Region.
    Antonio, der schon seit Jahren die Strecke bereiste, wählte als Schlafplatz für die Nacht eine kleine Waldlichtung direkt am Fluss. Jana fand das Plätschern der Donau beruhigend und schlief so tief und fest wie seit Wochen nicht mehr. Am nächsten Morgen brach die Gruppe schon bei Morgengrauen auf. Vor einem Hügel, auf dem sich ein prächtiges Schloss befand, ließ Antonio anhalten.
    Er sagte: »Einige Jahre lang haben wir hier immer eine Vorstellung gegeben, aber bei unserem Besuch im letzten Jahr war die Schlossherrin erkrankt, und wir mussten weiterziehen. Da der Weg beschwerlich ist, werde ich allein hinaufreiten und nachfragen, ob eine Aufführung gewünscht wird.« Damit sprengte Antonio davon und ließ die anderen zurück.
    Pfeiffer verdrehte die Augen und murrte: »Schon wieder eine Pause. Wenn es so weitergeht, schaffen wir es nicht einmal bis Weihnachten nach Dijon, sondern kommen erst zum Jahreswechsel an.« Er zupfte einen Grashalm ab, steckte das Ende in den Mund und ließ sich auf einem der großen, flachen Steine am Wegrand nieder.
    »Ihr könnt ja allein weiterreiten«, knurrte Bedrich. »Niemand würde Euch vermissen.«
    »Kann es sein, dass Ihr heute mit dem falschen Fuß aufgestanden seid?«, fragte Pfeiffer und fügte dann böse hinzu: »Verzeihung, ich habe vergessen, dass Ihr Euch immer mühsam über die Knie hochrappelt, bis Ihr endlich aufrecht steht. Da kann man schwer einen falschen Fuß erwischen.« Der Arzt spielte darauf an, dass Bedrich morgens ewig zum Wachwerden brauchte. Selbst wenn alle anderen schon geschäftig herumliefen, schlief er immer noch tief und fest, obwohl er für die Zubereitung des Frühstücks zuständig war.
    »Haltet Eure Zunge im Zaum, sonst vergesse ich mich«, knurrte Bedrich und ballte seine riesigen Hände zu Fäusten.
    »Hört doch auf. Ihr benehmt Euch wie kleine Kinder«, unterbrach Jana die beiden. Sie war froh, dass Antonio schon nach kurzer Zeit zurückkam und traurig den Kopf schüttelte.
    »Die Gräfin ist vor zwei Wochen verstorben. Derzeit steht niemandem im Schloss der Sinn nach Unterhaltung.«
    Michael bekreuzigte sich und zeigte damit, dass er Katholik war. Auch Rosa murmelte ein stilles Gebet, einen Teil des Rosenkranzes. Die beiden hatten in der Fuggerei gemeinsam mit Bedrich den katholischen Gottesdienst besucht. Alle anderen waren ihm ferngeblieben und hatten auch in Ulm darauf verzichtet, der Predigt im Münster zu lauschen.
    »Wir ziehen weiter in das kleine Dorf dort unten«, bestimmte Antonio und deutete auf eine Ansammlung niedriger Häuser am Fuße des nächsten Hügels. Wie auch die anderen schien er ungewöhnlich traurig zu sein über den Tod der Gräfin.

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