Das Süße Geheimnis Der Leidenschaft: Roman
dürfte ihm dort, wo er saß, keine Gefahr drohen. Aber er war da und beobachtete stumm alles, was um ihn herum geschah - fast so, wie Merrick es auch oft tat.
Vielleicht sollte er dieses Mal selbst zu dem Jungen gehen und die Sache endgültig regeln. Plötzlich hielt der Junge sich etwas vor die Augen und legte den Kopf ein wenig in den Nacken. Das Sonnenlicht spiegelte sich hell auf dem Gegenstand in seiner Hand.
Kurz entschlossen verließ Merrick den Staub und Dreck des Bauplatzes und überquerte die Straße. Seine Neugier zog ihn, trieb ihn den Weg hinunter und hin zu dem unkrautbewachsenen Flecken Erde. Als er den Brunnen erreichte, erkannte Merrick, dass der Junge durch ein Opernglas schaute, das so zierlich war, dass es offensichtlich einer Dame gehörte. Auf seinem Gesicht lag ein fast hingerissener Ausdruck, während er die Dacharbeiten beobachtete. Er war in sein Tun so versunken, dass er Merricks Näherkommen nicht gehört zu haben schien.
»Diese hohe Vorrichtung nennt man einen Kran«, sagte Merrick ruhig.
Sofort ließ der Junge das Opernglas sinken. »Hallo«, sagte er und ließ sich vom Brunnenrand gleiten. »Ich schaue nur zu. Ehrlich. Ich stehe nicht im Weg.«
»Das sehe ich«, sagte Merrick.
Er hatte ganz vergessen, dass es seine Absicht gewesen war, den Jungen fortzuschicken. Stattdessen verschränkte er die Arme auf dem Rücken und betrachtete ihn. Er war groß und schlank, aber eine gewisse Kindlichkeit in seinem Gesicht strafte seine Größe Lügen. Der Junge konnte nicht älter als zwölf sein, vielleicht sogar weniger. Merrick kannte sich mit Kindern nicht aus. Esmée hatte eine zweijährige Schwester, aber er vermied ein Zusammentreffen mit dem kleinen Teufelsbraten, wo immer es ging.
Dieser Junge jedoch - nun, er sah nicht ganz so Furcht erregend aus wie eine Zweijährige, die einen Wutanfall bekam. Er sah ... eher interessant aus. In seinen dunkelgrünen Augen lag eine erwachsene Klugheit, und ihn umgab eine Aura von Ernst, die Merrick daran erinnerte, wie er selbst in diesem Alter gewesen war.
»Ein Kran ist ein System aus Flaschenzügen«, erklärte er dem Jungen und wies auf das Baugerät. »Und es gibt diese Schwenkvorrichtung - dort oben, siehst du? -, die es uns möglich macht, die Schieferplatten leichter auf das Dach zu befördern. Hast du schon einmal einen Kran aus der Nähe gesehen?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Nur Zeichnungen davon«, sagte er. »Aber die griechischen Tempel wurden mithilfe von Kränen erbaut. Mein Vater hat gesagt, dass sie eingesetzt wurden, um die Säulen der Säulengänge aufzurichten. Er hat gesagt, dass die Säulen sehr schwer waren, und dass es keine andere Möglichkeit gab, wie es sonst hätte gemacht werden können.«
»Damit hat dein Vater ganz recht«, sagte Merrick.
In diesem Moment bemerkte er das kleine Skizzenbuch, das auf dem Rand des alten Brunnens lag. »Was hast du denn da? Einige Zeichnungen, hm? Ich hoffe, du stiehlst nicht meine Betriebsgeheimnisse.«
Der Junge riss erschrocken die Augen auf. »N ... nein, Sir«, sagte er. »Ich habe einiges gezeichnet, aber ich wollte nichts stehlen.«
»Ich habe nur Spaß gemacht«, beruhigte Merrick ihn. »Aber ich vermute, mein Junge, dass du jemandem dieses Opernglas stibitzt hast.«
Die Wangen des Jungen röteten sich, und er ließ den Kopf hängen.
»Wem gehört es?«, fragte Merrick ruhig.
»Meiner ... meiner Mutter.« Der Junge murmelte die Antwort in Richtung seiner Schuhe. »Aber ich habe es nicht gestohlen. Ich ... ich habe es mir nur ausgeliehen.«
Ah ja. Aber der Zorn der Mutter des Jungen war nicht Merricks Sorge. Um das Thema zu wechseln, griff er nach dem Skizzenbuch des Jungen. »Hast du etwas dagegen, wenn ich einen Blick hineinwerfe?«
Der Kopf des Jungen fuhr hoch. »N ... nein, Sir«, sagte er. »Ich glaube nicht. Aber es ist nichts, wirklich. Nur Skizzen.«
Merrick lächelte und schlug das Buch auf. Langsam und mit wachsendem Erstaunen blätterte er die Seiten um. Die Zeichnungen waren keinesfalls die eines Kindes, wie er es erwartet hatte. Stattdessen waren sie sehr detailliert und auch verblüffend genau. Einige waren aus leichter Hand entstandene Aufrissskizzen - er hatte von jungen Architekten, die für ihn gearbeitet hatten, schon schlechtere gesehen. Andere wiederum konnte man fast künstlerisch nennen. Es gab eine Zeichnung von Ridley, den Maurerpolier, der geschickt einen Stein mit Mörtel versah, um ihn zu setzen. Man sah die Bewegung von Ridleys
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