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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Mitteln gewinnen können!«
    Sie grinste weiter. »Kann schon sein.«
    Plötzlich wurde er sich mit fast brutaler Intensität ihrer Nähe bewusst. Der dezente Duft ihres Körpers mischte sich mit dem
     Aroma des Salzwassers, das von seiner feuchten Kleidung ausging. Sein Puls ging noch schnell von dem Wettlauf und wollte sich
     einfach nicht beruhigen. Sein Blick traf ihre tiefgründigen Augen, und er vergaß alles um sich herum. Sie erwiderte ihn. Nach
     einer langen Zeit lächelte sie und sagte: »Ich glaube, du wolltest die Tür aufschließen.«
    Mark blinzelte und starrte verwirrt auf den Schlüsselbund in seiner Hand. Er merkte, wie er rot wurde. »Lisa, ich … wenn das
     hier vorbei ist …«, stammelte er.
    »Sag jetzt nichts, was du später bereuen könntest!« Sie legte einen Finger auf seine Lippen.
    Er nickte und öffnete.
    Während er die Pizza in den Ofen schob, setzte Lisa sich wieder an den Laptop. Als der Duft von gebackenem Teig und Salami
     die kleine Wohnung zu erfüllen begann, stand Mark neben ihr und sah ihr über die Schulter zu, wie sie durch den endlosen Quelltext
     blätterte.
    »Siehst du?«, sagte sie und wies auf den Bildschirm. »Diese Funktion hier hat überhaupt keinen Sinn! Sie wird in dem ganzen
     Code kein einziges Mal aufgerufen, dabei ist sie mehrere hundert Zeilen lang. Rainer hat das mit Sicherheit nicht aus Versehen
     gemacht – dazu war er viel zu systematisch und genau. Ich kapiere es einfach nicht!«
    Mark zuckte mit den Schultern. Er hatte an der Universität |292| einige Grundkenntnisse im Programmieren gesammelt, aber C++ lag weit jenseits seines Horizonts. Wenn Lisa den Code nicht verstand,
     hatte er erst recht keine Chance.
    »Kann es sein, dass er sich selbst verändert? Dass diese Funktion erst aktiviert wird, wenn Pandora am Leben ist? Ich habe
     mal gelesen, dass es in der menschlichen DNS viele Teile gibt, die normalerweise inaktiv sind, aber unter bestimmten Umständen
     ›eingeschaltet‹ werden können.«
    Lisa runzelte die Stirn. »Schon möglich. Aber das erklärt noch nicht, wieso der Code hier überhaupt nichts macht, wenn man
     ihn kompiliert. Irgendwas ist daran falsch. Ich habe das Gefühl, uns ist etwas Entscheidendes entgangen.«
    »Ja, das Gefühl habe ich auch«, sagte Mark. Da war etwas gewesen, etwas, das ihm aufgefallen war, das er jedoch für nicht
     so wichtig erachtet und rasch wieder vergessen hatte. Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.
    Er wanderte in dem kleinen Wohnzimmer hin und her, ließ seinen Blick über die spießigen Polstermöbel schweifen, betrachtete
     die Fotos in versilberten Rahmen auf dem Sideboard. Julias Eltern bei ihrer Hochzeit, auf dem Segelboot, mit der kleinen Julia
     am Strand, Julia als junges Mädchen beim Springreiten. Sogar ein Foto von Mark und Julia stand dort: Sie standen Arm in Arm
     am Rand des Grand Canyon. Ein seltsames Gefühl der Wehmut erfüllte ihn bei dem Anblick. Das war ein anderes Leben gewesen,
     eine andere Welt.
    Am Anfang hatten sie sich wirklich geliebt. Er war als Austauschstudent für ein Jahr in die USA gegangen, kurz nachdem er
     die erste Nacht mit ihr verbracht hatte. Entgegen allen Erwartungen waren sie sich treu geblieben. Sie hatten sich fast täglich
     Briefe geschrieben, altmodische Briefe auf Papier. Ihre hatten immer nach Parfüm geduftet, und sie hatte sie oft mit Herzchen
     und kleinen Tieren verziert. Irgendwo auf dem Dachboden mussten sie noch …
    Er zuckte zusammen. »Der Brief!«, rief er.
    |293| Lisa sah irritiert auf. »Was?«
    »Da war etwas in Rainers Brief an Eva Weisenberg. Ich weiß nicht mehr genau, was er geschrieben hat. Irgendwas von ›wenn du
     mich kennst, kannst du den Code lesen‹ oder so. Ich habe mich darüber gewundert – schließlich war Eva Weisenberg doch sicher
     keine Programmiererin –, dann aber nicht länger darüber nachgedacht.«
    Mit ein paar Mausklicks hatte Lisa die Datei geöffnet. »Jetzt, wo ich wohl nicht mehr da bin, um mich um mein Geschöpf zu
     kümmern, vertraue ich Dir mein Geheimnis an«, stand dort. »Die beigefügte Datei PANDORA. TXT enthält den Quellcode des ursprünglichen
     Programms. Wenn Du mich kennst, dann weißt Du, wie Du ihn lesen musst.«
    Lisa nickte. »Ich habe den Satz beim ersten Mal auch nicht verstanden, hab aber in der Hektik nicht darüber nachgedacht. Rainer
     muss irgendwas mit dem Source Code gemacht haben und hat ihr hier einen Hinweis gegeben.« Sie seufzte. »Er macht es uns

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