Das System
bei euch in den letzten Tagen passiert ist. Ich weiß, das
wird dir jetzt komisch vorkommen, aber wir sind zu 95 % sicher, dass die Störungen manuell ausgelöst wurden.«
»Manuell? Was soll das heißen?«
»Es heißt, dass einer von euch …«
»Du spinnst wohl! Ich telefoniere gerade, und Juri kämpft mit dem Steuerungssystem. Er kann das verdammte Ding kaum bändigen.«
»Der MC ist an der Kontrolle des Roboterarms?«
»Ja. Er versucht …«
»Hör zu, du musst ihn sofort dort wegholen. Irgendwie. |344| Dr. Birken sagt, es gibt eine seltene Form von Schizophrenie, die …«
»Sag mal, hörst du mir überhaupt zu? Nicht wir sind hier durchgeknallt, der Computer spinnt! Ich habe gerade mit dem Steuerungssystem
gekämpft, und jetzt ist es Juri, der versucht, das Schlimmste zu verhindern. Es wäre toll, wenn ihr uns irgendwie dabei helfen
würdet, statt uns zu erzählen, wir seien verrückt!« Er knallte den Hörer in die Halterung und wandte sich zu Orlov um.
Alle drei Kamerabildschirme des Roboterarms waren schwarz. Die Kontrollen zeigten an, dass das System inaktiv war. »Wie hast
du das geschafft?«, fragte Cantoni.
»Gar nicht«, sagte Orlov. »Es hat sich selbst abgeschaltet.«
»Edwards denkt, wir haben das verursacht. Birken hat ihm irgendwas von Schizophrenie erzählt.«
»Birken? Der hat doch selbst, wie sagt man, einen Schuss weg.« Er tippte sich an die Stirn. »Typisch Mission Control. Wenn
du sie wirklich brauchst, nerven sie nur.« Er senkte den Blick. »Andrea, ich habe einen Fehler gemacht. Etwas ist falsch,
aber nicht du. Tut mir leid.« Er streckte seine riesige Hand aus.
»Schon gut«, sagte Cantoni. Der Händedruck des Russen war nicht so kräftig, wie er befürchtet hatte – so als wolle Orlov durch
die Sanftheit andeuten, dass er in Zukunft rücksichtsvoller sein wollte.
»Ab jetzt heißt es: Wir beide gegen den Computer«, sagte Orlov. »Du kennst den Film ›2001‹?«
Jeder Astronaut kannte Stanley Kubricks Meisterwerk, in dem ein durchgedrehter Computer versuchte, die Besatzung eines Raumschiffs
umzubringen.
»Du meinst doch nicht, dass der Computer das alles absichtlich macht? Ich meine, wir haben schließlich keinen HAL an Bord.
Unser Kontrollsystem hier hat nicht viel mehr Rechenleistung als mein PC zu Hause auf der Erde. Außerdem können wir den Computer
nicht einfach abschalten!«
|345| Orlov nickte. »Wir müssen den Arm unschädlich machen, solange er sich ruhig verhält.«
»Wie willst du das machen?«
»Wir müssen raus.«
Ein kurzer Hoffnungsschimmer blitzte am Horizont von Cantonis Verstand auf, doch er erlosch schnell wieder, als ihm klar wurde,
dass der Russe nicht etwa den Rückflug zur Erde mit der Rettungskapsel gemeint hatte. »Du willst eine EVA machen? Jetzt, wo
der Computer spinnt?«
»Der Arm kann jederzeit wieder aktiv werden. Wir müssen ihn von der Station trennen. Das ist unsere einzige Chance, die ISS
zu retten.«
Cantoni sah die Entschlossenheit in Orlovs dunkelbraunen Augen und wusste, dass er ihr nichts entgegenzusetzen hatte. Er nickte
langsam. »Also gut. Wer geht?«
Er hatte gehofft, dass Orlov sich freiwillig melden würde. Schließlich war er der Heldenhafte, nicht Cantoni. Doch Orlovs
Antwort erschreckte ihn zutiefst: »Wir gehen beide. Das da draußen ist zu gefährlich für einen allein.«
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85.
Hamburg-Hafencity,
Samstag 16:22 Uhr
»Diego!« Lisa sprang auf. Ihre Augen waren vor Schreck aufgerissen. Das Entsetzen stand ihr sehr gut.
»Wer sind Sie?«, fragte eine hübsche Rothaarige mit Sommersprossen, die sich über Helius gebeugt hatte. Der Typ war offenbar
verletzt.
Diego begriff nicht ganz, was hier eigentlich los war. Pandora hatte ihm mitgeteilt, dass Lisa Dateien von Eva Weisenbergs
Laptop auf ein externes Speichermedium gespielt hatte, vermutlich einen USB-Stick. Diego hatte ihr erklärt, was das wahrscheinlich
bedeutete. Den halben Tag hatte er damit verbracht, |346| gemeinsam mit Pandora nach ihr und Helius zu suchen. Schließlich hatte das System gemeldet, dass die beiden im Büro von D.
I. waren. Diego hatte sich sofort auf den Weg gemacht. Er musste unbedingt verhindern, dass der Virus ins Netz gespielt wurde.
Doch er ahnte, dass er zu spät gekommen war.
Wut stieg in ihm auf. Er würde es der Schlampe heimzahlen! Er zog das Klappmesser aus der Tasche an seinem rechten Bein und
kam langsam näher.
Lisa lächelte kalt und richtete die Mündung einer Pistole
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