Das System
auch
noch nicht.« Er deutete mit der Pistole auf Lisa. »Her mit dem Source Code für den Virus!«
»Er ist dort auf dem Stick.« Sie deutete auf einen der Rechner, in dessen USB-Port ein kleiner, silberner Datenträger steckte.
»Du hältst mich wohl für blöd. Der Source Code ist sicher verschlüsselt. Wie lautet das Passwort?«
»Arschloch.«
Diego konnte nicht anders, als eine gewisse Bewunderung für Lisas Kaltschnäuzigkeit zu empfinden. »Du sagst mir jetzt das
richtige Passwort, oder ich schieße deinem Freund hier ins Bein!«
Lisa starrte ihn nur stumm an.
|349| Diego richtete die Waffe auf den bewusstlosen Helius und drückte ab. Die Kugel zerfetzte das Hosenbein, und dickes, fast schwarzes
Blut quoll aus dem Oberschenkel hervor.
Lisa und die Rothaarige schrien zeitgleich auf. Ihre Stimmen lagen um ein paar Töne auseinander, so dass sie einen seltsam
harmonischen Akkord hervorbrachten, fast wie bei einem Duett zweier hochklassiger Sopranistinnen. Diego grinste. Er hatte
richtiggelegen – die beiden vergötterten den Typ.
»Mit dem nächsten Schuss zerfetze ich ihm die Eier«, sagte er. »Dann wird er nicht mehr viel taugen im Bett, dein hübscher
Freund. Vielleicht überlegst du dir dann noch mal, auf welcher Seite du stehst, du Schlampe!«
»Erst wenn die Hölle zufriert«, zischte Lisa. Aber in ihren Augen lagen Unsicherheit und Schmerz. Er hatte sie so weit.
Er beugte sich hinab und hielt die Pistole dicht über Helius’ Schritt. »Also, was ist jetzt? Und versuch nicht, mich zu bescheißen.
Ich weiß, nach welchen Methoden du Passwörter konstruierst. Ich zähle bis drei. Eins, zwei …«
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86.
Hamburg-Eimsbüttel,
Samstag 16:13 Uhr
»… Der HSV muss sich verdammt anstrengen, wenn er diese Bayern noch schlagen will. Und da setzen die Hamburger auch schon
zum Gegenangriff an. Können Sie kurz vor der Halbzeitpause noch den Ausgleich …«
Das Handy klingelte. Scheiße! Nicht ausgerechnet jetzt! Hauptkommissar Unger wusste, dass er rangehen musste. Immerhin tat
sich offenbar etwas im Fall Hamacher/Erling. Heute Morgen hatte ihn ein Beamter vom BKA aus dem Bett geklingelt und ihm mitgeteilt,
dass man Mark Helius und Lisa Hogert auf hoher See aufgegriffen habe und dass diese mit |350| einem internationalen Haftbefehl gesucht wurden. Unger hatte dem BKA-Mann klargemacht, dass der Haftbefehl getürkt sein musste.
Er hatte angeboten, ins Präsidium zu kommen und mit Helius zu sprechen, aber das BKA hatte abgelehnt. Sie hatten ihm Löcher
in den Bauch gefragt, aber natürlich waren sie sich zu fein, einen gewöhnlichen Kriminalhauptkommissar direkt in ihre Ermittlungen
einzubinden.
Na, dann eben nicht. Unger war nicht wirklich traurig darüber, dass sie ihm diese unheimliche Geschichte mit dem angeblich
ausgeflippten Computer abnahmen. Schließlich hatten sie eine eigene Abteilung für Computerkriminalität, und man konnte wohl
unterstellen, dass die auch für kriminelle Computer zuständig war, falls das tatsächlich die Erklärung für die Todesfälle
sein sollte. Das BKA machte die Arbeit, Unger konnte den Fall abschließen, und alle waren zufrieden.
Aber natürlich war es nicht so einfach. Die Typen kamen nicht weiter, und jetzt brauchten sie ihn doch. Ausgerechnet jetzt,
wo es für den HSV mal wieder um alles ging. Die Herren würden sich noch einen Moment gedulden müssen.
Mit angehaltenem Atem verfolgte Unger den laufenden Angriff. Ein wunderschöner Pass von der linken Seite in den Sechzehner
der Bayern, direkt vor die Füße des Mittelstürmers. Die Stimme des Kommentators überschlug sich vor Aufregung. Kein Abseits!
Unger umklammerte die Lehne seines Lieblingssessels. Jetzt schieß doch, dachte er. Doch statt des Torschusses war plötzlich
nur noch Schneegestöber auf der Mattscheibe.
»Verdammt! Was …« Unger drückte die Knöpfe der Fernbedienung, aber alle Kanäle zeigten dasselbe Bild. Er sprang auf und untersuchte
den Fernseher, doch der Antennenstecker hatte sich nicht gelöst. Es musste sich um eine Störung im Kabelnetz handeln. Ausgerechnet
jetzt!
Das Handy klingelte immer noch. Jetzt war es sowieso egal. Unger sah auf das Display. Es war nicht das BKA, es war Dreek.
Wer sonst besaß so viel Feingefühl, ausgerechnet |351| während des wichtigsten Fußballspiels des Jahres anzurufen? Einen Moment lang hatte er den Gedanken, Dreek hätte es irgendwie
geschafft, aus der Ferne seinen Fernseher zu manipulieren,
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