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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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zwischen dem Mörder und mir?
    Sandra erwähnte bei unserem Gespräch in der Praxis, dass mein Vater tot wäre. Dass er sich mit Petroleum übergossen und in Brand gesteckt hätte. Falls Sandra Recht hatte, dann konnte mein Vater nicht der Mörder sein. Aber was wäre, wenn es nicht mein Vater war, der sich angezündet hatte? Wenn ein anderer Mann bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war? Hätte man ihn identifizieren können? Hatte man es überhaupt als notwendig erachtet , seine Identität zu überprüfen?
    So plausibel diese Theorie auch war, war sie doch nur das Ergebnis meiner Träume und ich scheiterte abermals an meiner fehlenden Erinnerung. Das Bild, das ich von meinem Vater hatte, musste nicht zwangsläufig das reale sein. Allein die Tatsache, dass mein Vater Neurochirurg gewesen war, ließ mich zweifeln. Vielleicht wollte ich auch nur, dass mein Vater – oder dieses monströse Abbild von ihm – der Mörder war. Vielleicht war es Wunschdenken, dass er noch lebte und dieses Spiel mit mir trieb. Dennoc h war es eine Möglichkeit. M omentan die einzige, die mir einfiel.
    Wenn mein Vater tot war, musste er irgendwo beigesetzt worden sein. Meine Mutter lebte nicht mehr u nd laut Daves Aussage, war ich davon überzeugt gewesen, dass er ein Arschloch war. Folglich konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich die Kosten für eine ordentliche Beisetzung übernommen hatte.
    Ich blickte zum Bildschirm.
    Hart Island. Die Müllhalde für Drogensüchtige und Verbrecher.
    Wenn es einen Platz auf dieser Welt gab, an dem Abschaum wie mein Vater verscharrt worden war, dann konnte es sich nur um Hart Island handeln.
    Ich klickte das Hart-Island-Project-Fenster auf dem Computer an. Die Eingabe in dem Suchfeld war schnell erledigt. Familienname: Reynolds. Ich klickte auf Suchen .
    Fünf Einträge. Drei Frauen, zwei Männer. Ich entdeckte meinen Vater auf den ersten Blick:
    Sargnummer: 273, Ident. Nummer: 666357, Name: Reynolds, Edward, MD
    Edward. Mein Vater hieß Edward . Ich war noch nie seit meinem Erwachen in diesem Motel so fest von etwas überzeugt gewesen, wie in diesem Moment: Wer immer im Sarg mit der Nummer 273 lag, war nicht mein Vater. Edward Reynolds lebte. Und mordete.
    Ich hatte Eddie gefunden.

23
     
    Dunkle Wolken schoben sich vom Süden auf Long Island zu. Vom Expressway aus wirkten sie wie eine schmutzige Wand – als hätte der Ozean all den Dreck ausgespuckt, der sich im Laufe der Jahrhunderte angesammelt hatte, um ihn nun mittels einer Sturmflut auf der Küste zu entsorgen. Es schien, als wäre von einer Minute auf die andere die Nacht angebrochen. Einfach so. Als hätte jemand das Sonnenlicht ausgeknipst. Vielleicht lag es am dunklen Wolkenvorhang, der die Küste beinahe erreicht hatte? Vielleicht aber auch nur daran, dass ich vom Westen New Yorks gegen Osten fuhr. Vom Tag in die Nacht .
    Ich hatte Dave eine Nachricht auf dem Computertisch in der Bibliothek hinterlassen, obwohl ich überzeugt war, dass er anhand der Internetseite, die ich offen gelassen hatte, wissen würde, wo ich mich befand.
    Ich hatte mich daran erinnert, wie er mir die Buchstaben POD erklärte. Place of Death. Ich hatte auf den Eintrag mit dem Namen meines Vaters geklickt und dadurch herausgefunden, wo er gestorben war. Auf Long Island, Brentwood. In der geschlossenen Abteilung des Pi lgrim Psychiatric Centers. D ieser riesige Gebäudekomplex mitten in einer gigantischen Parkanlage lag nun vor mir.
    Ich bog in die Einfahrt ein und fuhr eine von Laubbäumen gesäumte Zufahrtstraße entlang. Schwere Tropfen klopften gegen das Autodach, zuerst langsam, dann schneller, bis sie wie das Dauerfeuer eines Maschinengewehrs niederprasselten. Die Scheibenwischer hatten Mühe, die Wassermassen zur Seite zu schieben. Der Donner schien von allen Seiten zu hallen. Die Blitze erhellten für kurze Augenblicke den Gebäudekoloss.
    Sturmböen schüttelten die Bäume. Der Regen prasselte von allen Seiten auf die Gebäude. Im Licht der immer zahlreicher aufzuckenden Blitze wirkten die Wassermassen wie wehende dunkelgraue Seidentücher, die durch die Wucht des Windes zerrissen wurden und in Fetzen an allen Ecken und Kanten der Häuser hängen blieben.
    Die Strecke zwischen Parkplatz und Eingangstür des Zentrums betrug keine zwanzig Meter. Obwohl ich diese Distanz im Laufschritt zurücklegte, waren meine Kleider bis auf die Haut durchnässt und so war der Blick der Empfangsdame nicht weiter verwunderlich, die mich ansah, als wäre ich kein Besucher, sondern

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