Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
bekanntgegeben, dass das Grace College zum 19.03.2013 geschlossen wird. Offizieller Grund dafür ist die Reihe von Todesfällen in den letzten Jahren und insbesondere die Selbstmordserie in den Monaten nach dem Attentat von Tom Lewinsky vor einem Jahr.
Sie hob die Cola an die Lippen, und als sie leer war, knüllte sie die Dose zusammen und warf sie in den Papierkorb neben sich.
Und weiter.
Heute Morgen wurde der letzte Todesfall bekannt. Sammy Linford wurde erhängt im Grace Valley aufgefunden. Der Journalist hatte am Tag zuvor in seinem Artikel in der Zeitschrift »Mysteries« das Ende der Welt vorausgesagt und damit eine Lawine an Fragen und Vermutungen losgetreten.
Debbie schrieb schnell und konzentriert.
Ja, es gab Leute, die nicht an die Apokalypse glaubten, aber das war ihr Problem. Sie mussten diejenigen informieren, die nach den Anzeichen suchten, die wussten, überzeugt waren – diese Welt ist endlich. Auch diesmal dauerte es wieder nur wenige Sekunden, bis ihr der letzte Satz einfiel.
Der Countdown läuft … Punkt!
Zum Schluss setzte sie ihren Namen darunter: Deborah M. –
M. stand für Martha – Wilder und das aktuelle Datum darunter. Fertig.
Die Nachricht ging an die Zeitschrift Mysteries , an die New York Times , die Washington Post und das Weiße Haus. Wieder hob sich ihr Blick.
Die Bildschirme waren alle dunkel.
Doch als sie sich erhob, erwachten die Rechner aus ihrem Ruhezustand, als hätte die geringste Bewegung eine Erschütterung ausgelöst, auf die sie reagierten.
Debbie hatte das Gefühl, sie schwankte.
Das war nicht möglich.
Das war verrückt.
Geradezu gruselig.
Ein Foto auf fünfundzwanzig Bildschirmen starrte ihr entgegen.
Sie selbst im Alter von drei, vier Jahren. Daneben ein anderes Mädchen mit zu ernsthaftem Gesichtsausdruck und – ein Mann, den sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Ein Foto, das ihr noch nie begegnet war.
Aus einer Zeit, an die sie sich kaum erinnerte.
Ein Text, den sie nicht sofort begriff:
Herzlichen Glückwunsch, Debbie.
Exodus
E igentlich – ein Wort, das mein Leben prägt – eigentlich müsste ich jetzt anfangen zu packen. Wenn ich mich so im Zimmer umsehe, hat sich in den Jahren hier oben ziemlich viel Kram angesammelt. Angereist bin ich nur mit einem Koffer und dem riesigen Trekkingrucksack. Ich habe ihn hier oben zweimal benutzt. Einmal bei dem Wahnsinnsunternehmen auf dem Ghost und dann später … noch einmal. Damals hatte ich die mushrooms, die Ronnie mir geschickt hatte, im Gepäck.
Inzwischen bräuchte ich allein zwei Koffer, um meine Kameraausrüstung unterzubringen. Julia hat erzählt, dass alle Taschen und Tüten im Supermarkt ausverkauft sind. Und wennschon. Was ich nicht mitnehmen kann, bleibt einfach hier.
»Nach mir die Sintflut«, murmele ich laut, obwohl – eigentlich ist sie ja schon hier. Chris, der draußen war, meint, so hoch können die keine Mauern bauen, wie das Wasser des Sees steigt.
Ich öffne die Tür zum Vorraum, um mir eine Cola aus dem Kühlschrank zu holen. Draußen läuft der Fernseher. David und Rose sitzen auf dem Sofa und sehen sich die Nachrichten an.
»Obwohl die Suche nach Überlebenden offiziell nicht eingestellt ist, erscheint der Erfolg einer Rettungsmission mittlerweile aussichtslos«, bellt ein Journalist in die Kamera. Er steht vor einer Reling, dahinter das offene Meer. Die Zotteln seines riesigen Mikrofons werden vom Wind zerzaust, sein Mantel flattert. »Der für Los Angeles völlig untypische Wintersturm, der den Staat Kalifornien seit den Vormittagsstunden in Atem hält, macht die Bergung von Trümmerteilen oder gar der Blackbox bis auf Weiteres unmöglich.«
Das Bild wechselt zu einem Amateurvideo, die Bildqualität ist schlecht. Die Flasche in der Hand bleibe ich stehen und verfolge auf dem Bildschirm, wie plötzlich aus dem ansonsten spiegelglatten Meer meterhoch eine Welle, nein, eher eine Wassersäule, hochschießt und das Flugzeug, das gerade am Flughafen in Los Angeles gestartet ist, in die Tiefen des Pazifischen Ozeans saugt.
»Schrecklich«, flüstert Rose. »Die konnten sich nicht vorbereiten. Hatten keine Zeit. Haben nicht begriffen, was passiert.«
Die nachgewachsenen Haare reichen ihr jetzt schon über das Kinn. Das lässt sie noch schmaler aussehen, als sie sowieso schon ist. Und sie ist blasser als sonst. Die durchscheinenden bläulichen Schatten unter ihren Augen treten auf der weißen Haut umso stärker hervor.
Pass auf sie auf, möchte ich David zurufen, aber so
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