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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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griff zur Whiskyflasche und setzte sie an. Die Flüssigkeit brannte in der Kehle, stärkte aber, ermöglichte es dem Mann, das Gewehr zu nehmen, das er immer in seiner Nähe hielt, und es zu wiegen. Hellwach sah der Terrier die Waffe hoffnungsvoll an. Der Mann hustete. »Die Tage sind vorbei«, meinte er. »Es ist nichts mehr mit Kaninchen. Nur um sicherzugehen.« Er klopfte gegen den Gewehrschaft. »Für diejenigen, die alles besser wissen; falls sie kommen sollten.«
    Mit Mühe legte er auf den Wald draußen an, in die Richtung, wo die Silberweide stand. Seine Vorfahren waren hier zur Welt gekommen; genau hier, wo er lag, war er von seiner Mutter geboren worden, die unter dem gleichen Dach gestorben war – die seinen Lebensbaum bestimmt und seine Krankheiten mit Kräutern und Beeren behandelt hatte. Er legte das Gewehr zur Seite. Er wollte in diesem Tal sterben, inmitten der vertrauten Wälder.
    Der Hund lenkte seine Aufmerksamkeit auf ein fremdes Geräusch. Es kam vom Garten her, ein wehmütiges Miauen, das den Terrier nach unten an die Tür lockte, wo er schnupperte und ans Holz kratzte. Wilderer döste vor sich hin und achtete nicht auf die Erregung, doch als der Hund anfing zu winseln, richtete er sich zittrig auf. Er lauschte und hörte erneut das kraftlose Miauen und die aufgeregte Antwort des Hundes. Der Mann stieß keuchend seinen Ärger hervor. Doch er war neugierig, schlüpfte in seine Schuhe und setzte sich unsicher schwankend in Bewegung.
    Wenn er stand, verstärkte sich sein Schwindelgefühl. Die braungetönten Wände schienen leicht nachzugeben, als er sich an ihnen entlangtastete. Er erreichte die Treppe und blieb stehen. Damals hatte eine einfache Leiter nach unten geführt. Die schmalen Stufen waren nun steil und gefährlich. Auf halbem Wege setzte er sich hin und ruhte sich aus, während sein Kopf dumpf dröhnte. Als es ihm wieder besserging, setzte er, gereizt vor sich hinmurmelnd, seinen Weg fort.
    Eine ungewohnte Sauberkeit lag über dem Wohnzimmer, als ob sich schon ein neuer Bewohner eingerichtet hätte. Es roch sommerlich, nach Bohnerwachs, geschnittenen Rosen und Holzteer aus dem Kamin, der seit dem Winterende nicht mehr benutzt worden war. Es kam ihm so vor, als ob er zu seinem alten Lieblingsplatz zurückkehrte, der nun von Geistern aus einer anderen Welt in Besitz genommen worden war. Der Hund winselte ungeduldig. »Hau ab!« knurrte Wilderer. »Du gehst nirgendwohin. Ich werde selbst nachsehen.«
    Der Raum war düster. Hinter den Fenstern hielten wuchernde Pflanzen das Tageslicht ab. Staubbedeckte Sträucher klopften an die Scheiben, wenn sie von einem Windstoß geschüttelt wurden. Wilderer knirschte mühsam mit den Zähnen, torkelte zum Tisch und stützte sich mit seinen Handflächen auf ihm ab. Über seine Arme gebeugt, blickte er durch die Fensterflügel und zwischen den Blättern hindurch nach draußen. Er hatte sich niemals richtig um den Garten gekümmert, doch das Durcheinander, das sich ihm nun offenbarte, verstieß selbst gegen seine Vorstellungen, und er wünschte sich die Kraft, eine scharfe Sichel zu führen. Der klagende Laut ertönte wieder. Der Hund fing an zu kläffen.
    »Geduld, du schwarzäugiger Bursche. Ich werde mir eine Stütze suchen.« Wilderer raffte sich auf. Die Tür schien weit entfernt zu sein, ebenso wie der Stock, der an der Wand lehnte. Humpelnd gelangte er zu dem Stock, stützte sich schwer auf ihn und drückte die Türklinke hinunter.
    Die Helligkeit überraschte ihn. Das Sonnenlicht, das durch die umstehenden Bäume strahlte, flackerte und blendete, wenn sich die Blätter bewegten. Er mußte gegen einen weiteren Schwindelanfall ankämpfen. Als es ihm wieder besserging, hielt er seine Hand schützend vor die Augen und machte einige kurze Schritte. Es war still draußen. Fliegen schwirrten ziellos umher. In dem grellen Licht hörte er nur die Geräusche von Insekten und ein Flugzeug in der Ferne. Dann den Schrei – nicht ganz der eines gerade flügge gewordenen Vogels – aber hungrig, vereinsamt.
    Er drehte sich um, suchte das Ginstergebüsch neben der Tür ab, und dahinter, wo die ausgetrocknete Erde die Hauswand berührte, lag zusammengekauert das winzige, ausgehungerte Tier. Wilderer hatte junge Wiesel mit ihren Eltern auf einem Jagdausflug gesehen. Einmal, neben der Scheune, hatte er ein Geplapper gehört und eine Wieselin beobachtet, die, gefolgt von vier Jungen im Gänsemarsch, aus dem Holzstoß hervorkam. Einen Augenblick später kehrte sie

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