Das Tattoo
wirklich die ganze Zeit über weg?”
Er musterte sie aus argwöhnisch zusammengekniffenen Au gen. „Ja.”
Wieder biss sie sich auf die Unterlippe, um sich vom Weinen abzuhalten. Sie hatte Angst. So schreckliche Angst. Und Clay wirkte so weit weg - und wütend. Zwei Jahre. Mein Gott, wo bin ich gewesen? Und warum kann ich mich nicht erinnern?
Sie holte tief und zitternd Atem. „Du hasst mich, nicht wahr?”
Clays Magen zog sich schmerzhaft zusammen. „Nein, Fran cesca, ich hasse dich nicht.”
Sie schaute ihm forschend in das ihr so vertraute Gesicht. Ob wohl er dicht neben ihr saß, war die Distanz deutlich zu spüren. Mit beiden Händen umklammerte sie das Laken, mit dem sie zu gedeckt war, und schaute ihm in die Augen, bis er ihrem Blick
auswich. Das war der Moment, in dem sie die Tränen nicht länger zurückhalten konnte.
Lieber Gott. Bitte nimm ihn mir nicht weg.
Obwohl sie fast nicht zu fragen wagte, war da immer noch etwas, das sie wissen musste. Sie räusperte sich und versuchte, das Durcheinander ihrer Gefühle zu kontrollieren.
„Clay?”
Er schaute sie erneut an. „Was ist?”
„Liebst du mich noch?”
Er erschauerte sichtlich und sprang unvermittelt auf. „Ich lie be dich seit dem Tag, an dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe.”
Sie umklammerte das Laken noch ein bisschen fester. „Und warum höre ich da ein ‘Aber’ mitschwingen?”
Er zögerte kurz, doch als er antwortete, schaute er ihr fest in die Augen.
„Es gibt einen Unterschied zwischen Liebe und Vertrauen, Francesca. Ich liebe dich, aber ich weiß nicht, ob ich dir noch ver traue.”
Sie atmete tief aus und schloss die Augen. Was für ein Alb traum!
„Es tut mir so Leid”, flüsterte sie mit tränenerstickter Stim me. „Das ist das Einzige, was ich dir sagen kann.”
„Schön wäre, du könntest mir zudem verraten, wo du gewesen bist, … was du gemacht hast.”
Sie erschauderte. Seine Stimme war so schroff, so verletzend. Aber bei sich selbst verspürte sie ebenfalls einen wachsenden Groll. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich im Stich gelassen. Es war nicht fair, wie er sie behandelte. Sie kannte sich gut genug, um zu wissen, dass sie Clay niemals freiwillig verlassen hätte. Und falls sie entführt worden war, hatte sie es zwar geschafft zu rückzukommen, aber es war nicht auszuschließen, dass es noch einmal passierte.
„Sobald ich es weiß, werde ich es dir erzählen”, gab sie ebenso schroff zurück, bevor sie sich zur Wand drehte.
Ihre Reaktion überraschte ihn, und er spürte, dass erstes zar tes Vertrauen in ihm aufkeimte. Vielleicht sagte sie ja doch die Wahrheit? Er musste dringend noch einmal mit den Detectives reden. Sie durften die Meldung von Frankies Rückkehr keines falls an die Medien weitergeben.
Tag vier nach dem Erdbeben
Selbst schwer verletzt und ans Bett gefesselt machte Pharaoh Carn noch Schlagzeilen. Aus den Trümmern seiner Villa hatte man allein ihn lebend geborgen. Für die anderen sieben Menschen, die sich im Haus aufgehalten hatten, kam jede Hilfe zu spät.
Duke Needham, Pharaohs persönlicher Assistent, hatte sich zum Zeitpunkt des Erdbebens im Ausland aufgehalten. Er hatte einen ganzen zermürbenden Tag nur auf Flughäfen verbracht, um nach L.A. zurückzukommen. Und dann sah er sich mit der unge ahnten Katastrophe konfrontiert und musste den Suchtrupps noch dabei zuschauen, wie sie die Toten unter dem Schutt her vorzogen.
Einen weiteren Tag brauchte er, um herauszufinden, in wel ches Krankenhaus man Pharaoh eingeliefert hatte. Nachdem er dort erfahren hatte, dass sein Boss immer noch bewusstlos war, hatte er sich auf die Suche nach Pharaohs Frau gemacht. Bis auf Pharaohs engste Vertraute wusste niemand von ihr, und nur diese wenigen Eingeweihten hatten Kenntnis davon, dass Pharaoh den größten Teil der letzten zwei Jahre versucht hatte, ihr Herz zu erobern, doch bis jetzt erfolglos, wie es schien.
Nach mehrtägiger gewissenhafter Suche wusste Duke nur, dass Pharaohs Frau nicht als tot gemeldet war. Ob sie tatsächlich ebenfalls überlebt hatte und nur in ein anderes Krankenhaus gebracht worden war, musste sich erst noch herausstellen. Es wäre einfacher gewesen, wenn er eine Vermisstenmeldung hätte aufge ben können, aber das wäre ungefähr so, wie wenn man einem Dieb eine Belohnung dafür anbot, gestohlenes Eigentum zurück zugeben. Dass die Frau unverletzt entkommen sein könnte, zog er nicht einmal in Erwägung. Nicht, nachdem er die Villa gesehen
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