Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
der nun fand, dass es genug
sei mit dem Sterben in Canhusen und man sich in diesem Dorf, anstatt zu morden,
mal wieder auf den Alltag besinnen könne. Und auch die Canhuser selbst hatten –
nachdem sie bei der Beerdigung von Lübbo Krayenborg noch in recht ausgelassener
Stimmung gewesen waren – dem Pastor nur mit mürrischen Gesichtern gelauscht und
waren gleich nach der Beisetzung wieder ihrer Wege gegangen, ohne sich noch
groß zu unterhalten. Worüber auch, es war ja alles gesagt. Insgeheim warteten
sie wohl darauf, dass es nun auch noch Rudolf Lampe erwischen würde. Jedenfalls
hatte Büttner während der Beisetzung Buurmanns bemerkt, dass vereinzelt auf die
neben dessen Grab liegende, derzeit noch verwaiste Einfriedung gedeutet wurde
und dabei der Name Lampe gefallen war. Aber dann, so hatte einer der
Beerdigungsgäste beim Weggehen kundgetan, sei es ja auch mal gut gewesen, schließlich
sei vom Altherrenstammtisch dann ja niemand mehr übrig. Die neben ihm Laufenden
hatten kurz mit dem Kopf genickt, aber ansonsten hatte keiner von ihnen etwas
darauf erwidert.
Also saß nun Hauptkommissar
Büttner in seinem Büro und wartete darauf, dass entweder die Nachricht kam, nun
sei auch der alte Lampe ermordet worden oder aber, Rudolf Lampe sei nun endlich
bereit zu gestehen, dass er der Mörder von Grensemann, Schepker und Buurmann
sei. Letzteres wäre Büttner ganz klar lieber, da er dann nicht in Verlegenheit
kommen würde, weiterhin nach einem Mörder suchen zu müssen, der es auf alte
Männer abgesehen hatte. Neben sich eine dampfende Tasse Kaffee, blätterte
Büttner in dem Album, das Trientje Müller, die Schwester von Menno Buurmann,
seinem Assistenten Hasenkrug mitgegeben hatte. Viele der vergilbten
Schwarzweiß-Aufnahmen zeigten einfach nur fröhliche, meist junge Menschen, die
ihr Leben trotz der Mühsal der Nachkriegszeit zu genießen schienen. Vielleicht
sollte er, so dachte Büttner, dieses Album an Jan Scherrmann weiterreichen,
denn es wäre eine echte Bereicherung für seine Fotoausstellung. Immer wieder
tauchten auf den Fotos auch Siebo Manninga und Tammo Freerksen auf, sie
schienen in die Canhuser Gemeinschaft tatsächlich fest eingebunden gewesen zu
sein. Es gelang Büttner weitgehend, den Gesichtern auf den Fotos Namen
zuzuordnen. All diese Menschen hatte er, soweit sie noch lebten, im Rahmen
seiner Mordermittlungen kennengelernt oder sie bereits auf den Bildern der
Fotoausstellung gesehen und von Jan Scherrmann und Hermine Sanders erläutert
bekommen, um wen es sich jeweils handelte. Nur ein Gesicht, da war er sich
sicher, hatte er noch nie gesehen. Es war das einer jungen Frau, die meist an
der Seite des jungen Siebo Manninga zu sehen war. Häufig berührte sie ihn,
hatte den Arm um ihn gelegt oder schaute ihn mit strahlenden Augen an. Es war
nicht schwer zu erraten, wer diese junge Frau sein musste: Tabea. Und richtig,
im Text, den Trientje Müller neben eines der Fotos gekritzelt hatte, stand auch
eben dieser Name. Tabea. Die beiden älteren Damen im Emder Café hatten erwähnt,
dass die damalige Freundin von Siebo Manninga so hieß, dass sie jedoch nach dem
Tod der beiden jungen Männer weggezogen war. Büttner blätterte weiter. Aber
irgendwann gab es keine Fotos mehr von Siebo und Tabea. Und auch aus den Texten
ging nicht hervor, was aus der jungen Frau geworden war. Dennoch war sich
Büttner schon beim ersten Blick auf diese Frau sicher gewesen, das Gesicht
irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Aber, solange er sich auch den Kopf
darüber zerbrach, er kam nicht darauf, wo es gewesen sein könnte. Hm, dachte
er, vielleicht sah sie ja auch einfach nur jemandem ähnlich. Er ging in
Gedanken die Canhuser Gesichter durch, die er in den vergangenen Wochen kennengelernt
hatte. Denn bei all den verschlungenen Verwandtschaftsbeziehungen, all den
herumlaufenden Kuckuckskindern und Bastarden, die es in diesem kleinen Dorf
gab, war es ja schließlich nicht ausgeschlossen, dass auch diese Tabea ihre
Gene irgendwie in die Canhuser Gemeinschaft mit eingeflochten hatte oder von
irgendwem aus dem Ort abstammte. Na ja, jedenfalls stand schon mal fest, dass
sie keines von den angeblich so zahlreichen nichtehelichen Kindern Lübbo
Krayenborgs sein konnte. Denn schließlich waren die beiden nahezu gleichaltrig
gewesen. Wohin also gehörte sie? Und wo war sie jetzt? Büttner beschloss, das
Foto in Canhusen herumzuzeigen. Irgendwem würde schon etwas zu der jungen Frau
einfallen. Und wer weiß, vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher