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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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kommt – offen gesagt, wer sollte deswegen Tränen vergießen? Ich meine, irgendwann muss die Menschheit aussterben.«
    »Und was ist mit den Menschen, die das erleiden müssen?«
    »Alle, die jetzt leben, können aus ihrem Leben das Beste machen. Alle Ungeborenen wissen nicht, dass ihnen etwas entgeht. Vielleicht kommt nach uns ja etwas Besseres.«
    Unterdessen war es dunkel geworden, und der Himmel hinter den Pflanzen auf dem Fensterbrett war nahezu schwarz. »Unser Leben ist nicht lebenswert, wenn es keine Zukunft gibt.«
    »Warum? Alle Achtzigjährigen haben keine Zukunft mehr. Jeder muss sterben.«
    »Aber wir wissen, dass nach uns andere Menschen kommen. Wir wissen, dass alles weitergeht.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Du würdest es nicht mehr erleben. Weshalb sollte es dir etwas ausmachen?«
    »Aber dir ist doch nicht egal, was passiert, sonst wärst du nicht zu YOFI gekommen und hättest die ganze Arbeit am Haus auf dich genommen. Auch ohne Iain …«
    »Iain«, sagte sie angewidert. »Dieser Perversling.«
    Ich schauderte. »Wieso sagst du das?«
    »Er hat Gabe – den neunjährigen Gabe – zu sich eingeladen.«
    »Warum?«
    »Um irgendwelchen Scheiß zu planen und in Ruhe zu reden. Ist dir das noch nicht aufgefallen? Iain hat sich von Anfang an dafür eingesetzt, dass immer jüngere Kids mitmachen.«
    »Glaubst du wirklich, er ist einer?«
    »Ein Pädo? Ja. Die ganze Sache – YOFI – ist ein einziger Witz.«
    »Aber ohne YOFI würdet ihr nicht hier wohnen!«
    »Ich will hier weg. Wir ziehen aufs Land, wo wir unsere eigene Nahrung anbauen und uns selbst versorgen können, da brauchen wir uns um die Außenwelt nicht mehr zu kümmern.«
    »Du und Gabe?«
    »Bis jetzt sind wir zu fünft.«
    »Aber die Jugendhäuser …«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Dabei ging es darum, selbstständig zu leben, und das tun wir. Wir leben unser Leben, ohne etwas von denen zu erwarten.«
    »Wenn ihr aussteigt, verändert ihr nichts.«
    »Weshalb sollte ich mich abrackern, damit ein paar Idioten an die Macht kommen, die am Ende ebenso gefährlich sein werden wie die, die jetzt am Drücker sind?«
    »Du glaubst nicht, dass man etwas zum Guten verändern kann?«
    »Nein. Es geschieht, was geschehen muss.«
    »Was ist mit Menschen wie Nat und den Tierbefreiern? Die streben nicht nach Macht.«
    Sie lachte. »Nein, die setzen lieber die Autos von Forschern in Brand.«
    »Woher hast du das?«
    »Nat war letztes Wochenende hier.«
    Nach der Explosion. Nat und Lisa. Jetzt fügte sich einiges zusammen. In Anbetracht ihrer früheren Feindschaft war das interessant.
    »Wenigstens tun sie etwas.«
    »Sie versuchen zu erreichen, dass ein Tierforschungslabor geschlossen wird. Offen gesagt, Jess, im großen Maßstab …«
    »Man kann nicht im großen Maßstab denken. Denk im kleinen Maßstab. Sonst würde niemand jemals etwas zustande bringen.«
    »Genau das tue ich. Ich denke im kleinen Maßstab. Plane das Leben, das wir leben wollen, anstatt bei diesem ganzen beschissenen Durcheinander mitzumachen.«
    Bald darauf ging ich. Sie geleitete mich durch das Billardzimmer in den Schnee hinaus. »Jess – tu’s nicht. Ehrlich, ich wünschte, du würdest es lassen.« Sie umarmte mich fest. Ich musste an Sal denken und wurde traurig. Ich fuhr mit dem Bus nach Hause, denn es war zu kalt und zu dunkel, um zu Fuß zu gehen. Ich war der einzige Fahrgast. Der Bus fuhr durch leere Straßen, der Schnee auf den Gehsteigen funkelte bläulich.
    Ich war erleichtert, als mein Handy klingelte, froh darüber, dass jemand mit mir sprechen wollte. Bis ich sah, dass der Anrufer Rosa Davis war. »Hallöchen, Jess! Sind deine Eltern bereits stolz auf dich?«
    »Also, ich habe es ihnen noch nicht gesagt.«
    »Meine Mum ist begeistert. Sie hat es allen ihren Freundinnen erzählt, und die schicken mir Geschenke, Blumen und Schokolade und so Zeug. Sie halten mich für mutig – es ist peinlich!«
    »Weiß dein Freund Bescheid?«
    »Ja, er ist am Boden zerstört. Er sagt, er wird jeden Tag, solange er lebt, eine rote Rose auf mein Grab legen. Bist du noch mit Baz zusammen?«
    Ich sagte ihr, es käme gerade ein Anruf herein, und ich müsse Schluss machen. Ich wollte nicht mit ihr über Baz sprechen. Baz ging sie nichts an. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man sie in das Programm aufnehmen würde; im Beratungsgespräch würde man bald feststellen, dass sie nicht ganz dicht war.
    Ich hätte Mum und Dad an dem Abend Bescheid sagen sollen. Sie waren beide zu

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