Das Testament der Jessie Lamb: Roman
zu öffnen, mit der anderen den Hebel des Toasters runterzudrücken und im Rhythmus eines Songs aus dem Radio mit den Füßen zu wippen. Nicht mehr etwas Buntes im Garten zu bemerken – o wie schön, eine Blume! – und dann festzustellen, dass ein Fuchs im Müll gestöbert und ihn auf dem Rasen verteilt hat, und in den Hausschuhen rauszugehen und ihn aufzulesen und die feuchte Kühle des Grases zu spüren, die an den Sohlenrändern in die Schuhe sickert, und zu sehen, dass Mum und Dad nicht nur die Kartoffelschalen weggeworfen haben, die eigentlich in den Kompost gehören, sondern auch die Konservenbüchsen, die recycelt werden sollen, und im kalten Garten zu stehen, mich zu ärgern und gleichzeitig die frische Luft im Gesicht und die in meine Füße kriechende Kälte zu genießen, mit den Gedanken bei all den Dingen, die heute passieren würden …
Zu sterben erschien mir einfach unmöglich .
Kaum war der Film der Tierbefreier gepostet worden, stürzten sich die Nachrichten darauf. Die ALF behauptete, alle diese Tiere gehörten zu dem transgenen Zuchtprogramm. Man habe an ihnen herumgedoktert, damit sie menschliche Embryos austragen könnten. Vielen von ihnen habe man bereits Embryos eingepflanzt, ohne die Zustimmung der Spender einzuholen. Am Forschungslabor sammelten sich Demonstranten – wahnsinnig viele Menschen, die den Verkehr auf der Schnellstraße lahmlegten. Auch am Flughafen tat sich etwas, der Verkehr zwischen Chester und Birmingham stand still. Ich starrte die Hubschrauberbilder von meilenlangen Staus an, als es an der Tür klingelte.
Da ich keinen Besuch erwartete, nahm ich an, es wäre die Post. Als ich die Tür öffnete, erlebte ich eine böse Überraschung. Iain. Ich hatte nicht gewusst, dass er meine Adresse kannte. Er hatte sein Rad am Tor angeschlossen und zog gerade den Regenumhang aus. Sein Gesicht war gerötet und nass. »Hi, Jess, kann ich dich einen Moment sprechen?«
Mir wurde ganz mulmig, und ich ließ ihn ein. »Was ist denn los?«
»Nichts. Nichts ist los. Wie geht es dir?« Er legte seinen Fahrradhelm und die nassen Sachen auf den Stuhl in der Diele. »Könnte ich ein Handtuch haben?«
Ich brachte ihm das Küchenhandtuch, und er rubbelte sich damit das Gesicht ab. Die Vorstellung, dass er den Küchenschmutz auf seiner verschwitzten Haut verteilte, war mir widerlich. Am liebsten hätte ich ihm das Handtuch entrissen und es in die Wäsche getan. Eilig ging ich ins Wohnzimmer, doch er folgte mir. Ich stellte den Fernseher stumm. »Du weißt, dass da Nats Gruppe dahintersteckt?«
»Ja. Ein glückliches Zusammentreffen von Protesten – gegen die Tierversuchsanstalt und am Flughafen. Die Polizei wird ganz schön zu tun haben.«
»Du meinst die Flughafenaktion von YOFI ?«
Er nickte. »Endlich haben sie abgehoben.«
Ich merkte, dass er die Bemerkung nicht zum ersten Mal machte. »Ha, ha.«
»Ja«, meinte er und setzte sich. »Es war schwer, den Schwung aufrechtzuhalten. YOFI hat viele Anhänger verloren. Ein ständiges Rein und Raus.«
»Ich … ich hatte genug von dem ständigen Streit.«
»Ich weiß. Ich habe immer gewusst, dass du wirklich an die Gruppe geglaubt hast, Jess. Es tut mir leid, dass du weggegangen bist.« Er musterte mich mit seinem ruhigen, hypnotischen Iain-Blick, bis es mir richtig leidtat, dass ich ihn enttäuscht hatte.
»Die Sache ist die«, sagte er, »man braucht eine kritische Masse, damit eine Gruppe wie YOFI läuft. Ich glaube noch immer, dass sie viel erreichen kann, aber nicht für sich allein. Ich möchte, dass YOFI sich der Londoner New-World-Gruppe anschließt und im Norden eine Anhängerschaft aufbaut.«
»Das klingt gut«, sagte ich. »Eine gute Idee.«
»Ich hab gewusst, dass dir das gefallen würde, denn du bist sehr engagiert. Ich habe gehört, was du vorhast, Jess.«
»Wovon redest du?«
»Von dem Programm. Den MTS -freien Babys.«
»Das stimmt nicht! Das ist geheim.«
»Das ist sehr mutig von dir. Ich möchte dir sagen, dass ich stolz auf dich bin.«
Von wem hatte er das? Von Lisa? »Davon sollte niemand erfahren.«
»Keine Sorge, außer mir weiß bei YOFI niemand davon. Ich möchte dir einen Vorschlag machen.«
Im Fernsehen trafen zahlreiche Polizeiwagen vor Ort ein, und Einsatzkräfte mit riesigen Schutzschilden sprangen heraus.
»Ich möchte dich bitten, dass du YOFI die Öffentlichkeitsarbeit zu deiner Teilnahme am Programm überlässt.«
» YOFI ? Aber ich bin doch nicht mal mehr Mitglied.«
»Darum geht es nicht. Hör
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