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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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Ruhe lassen.«
    Decker zuckte zusammen.
Der Dalai Lama ein Kampa. Dann fließt in seinen Adern ja das Blut der Kriegerrasse.
Was würde die Abteilung »Ahnenerbe« wohl dazu sagen? Wenn es sie heute noch gäbe.
    Dann besann er sich auf die nächste Frage, die für seine Mission äußerst wichtig war. »Herr Botschafter, haben Sie schon mal
     etwas von einer alten Religion in Tibet gehört, einem Glauben, der in diesem Land herrschte, bevor der Buddhismus dort eingeführt
     wurde?«
    Sir Reginald verzog das Gesicht, wirkte nervös und |211| blickte angespannt in die Kamera. »Lassen Sie die Finger davon!«
    Decker sah überrascht Li Mai neben sich an und wandte sich wieder an den Botschafter. »Es gab sie also?«
    »Es ist eine Warnung. Gehen Sie dem nicht nach. Es wird Ihr Tod sein. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.« Er blickte unsicher
     um sich. »Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen, Herr Dr.   Decker?«
    Decker spürte, dass er nichts mehr aus Woodham herausbekommen würde. Dabei hatte er den Tempel des Schreckens noch gar nicht
     erwähnt. Daher sagte er nur: »Nein. Ich danke Ihnen.«
    »Viel Glück bei Ihrer Mission, mein junger Freund.« Der Engländer stand auf.
     
    Decker und Li Mai blickten auf den leeren Monitor. »Das war’s dann wohl«, sagte sie.
    »Was hältst du von seiner letzten Reaktion?«, fragte Decker.
    »Ich hatte den Eindruck, dass er vor irgendwas Angst hat«, sagte Li Mai.
    »Aber warum sollte Sir Reginald Angst haben?«, fragte Decker die hübsche Chinesin. »Er lebt jetzt in London, ist längst außer
     Diensten.«
    »Nun, Tibeter gibt es doch überall. Und der Dalai Lama hat viele Kontakte.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Decker.
    Li Mai schlenderte spielerisch auf ihn zu und setzte sich zu ihm in die Sitzecke. »Ich geb dir mal zwei Beispiele.«
    »Schieß los«, sagte Decker.
    »Du wirst es nicht glauben«, sagte sie. »Er hat Schoko Asahara ein Empfehlungsschreiben gegeben.«
    |212| Decker riss die Augen auf. »Das ist doch dieser Sektenführer, der 1995 den Giftgasanschlag in der U-Bahn von Tokio organisiert hat.«
    »Genau der. Zwölf Tote hat es damals gegeben und über fünftausend Japaner haben eine Sarin-Vergiftung erlitten.«
    »Mann o Mann, der Dalai Lama sollte sich seine Freunde vielleicht besser aussuchen.«
    »Oh, er kennt noch mehr solcher Leute.« Sie reichte Decker ein Foto. Es zeigte den Dalai Lama mit einem weißhaarigen, fetten
     Mann, der wie ein christlicher Geistlicher aussah.
    »Was ist damit?«
    Li Mais Augen verengten sich. »Dieser Mann neben dem Dalai Lama ist Miguel Serrano.«
    »Und?«
    »Er gehört zur rechten Szene in Südamerika. Er ist der Vertreter von etwas, was man den esoterischen Hitlerismus genannt hat.
     Er war 1959   Botschafter Chiles in Indien und hat den Dalai Lama nach seiner Ankunft im Exil als erster begrüßt. Sie sind später noch mehrfach
     zusammengetroffen. Es heißt, Serrano ist sehr begeistert vom Dalai Lama.«
    Decker stieß einen Pfiff aus. »Der Dalai Lama hat Kontakte in die südamerikanische Szene des Rechtsextremismus?«
    »Sieht ganz so aus«, sagte Li Mai. »Er hat auch die Freilassung des Massenmörders Pinochet verlangt. Seiner Ansicht nach gibt
     es keine absolut böse Person.«
    »Ich verstehe«, behauptete Decker. Aber das war stark übertrieben. Was jetzt in ihm aufstieg, war mehr eine Ahnung.

|213| Dritter Teil
Tibet
    Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich
     seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil
     der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben;
     und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.
    Es ist so bequem, unmündig zu sein.
     
    Immanuel Kant

|215| 15
    Es war spät in der Nacht. Decker stand in der Maschine und schwenkte die Eiswürfel in seinem Glas. So ein dreißigjähriger
     Whisky war doch etwas Feines. Inzwischen hatte er sich an die Umgebung gewöhnt. Das leichte Hintergrundsummen der Klimaanlage
     und Energieversorgung empfand er fast schon als gemütlich. Die Kabine war in ein warmes, indirektes Licht getaucht, das dunkle
     Holz schimmerte in seiner Maserung und er fühlte sich wie in einem edlen Club. In dem Halbdunkel des Raumes leuchteten die
     Monitore der Laptops und der Plasmaschirme und legten einen

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