Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
aufbrach, war er gewöhnlich voller Vorfreude. Wenn er Binham jedoch verlassen und zu seiner Arbeit zurückkehren musste, dann war er stets niedergeschlagen und zürnte dem Herrn wegen seiner unbeugsamen Härte. Kein Zweifel, er liebte das Glockengießen. Die Arbeit war seine Berufung, doch hätte er sie lieber mit seinem Sohn geteilt statt mit einer Fremden. Auch wenn er die junge Frau liebte wie eine Tochter, so war sie doch nicht von seinem Fleisch. Nichts von ihm würde durch Catlin fortbestehen, auch wenn er sein Wissen und seine Erfahrung an sie weitergab.
Wie üblich zog sich John erst einmal zurück. Die Stille und Einkehr von Binham erfüllten ihn noch immer. Während der ersten Tage fiel es ihm mit jedem Mal schwerer, sich wieder an Londons lautes, geschäftiges Treiben zu gewöhnen. Daher war es nicht verwunderlich, dass er sich einsilbig gab, seinen Gedanken nachhing und völlig in sich versunken vom ersten Tageslicht bis zum Dunkelwerden arbeitete. Ihn verwunderte nur, dass Catlin ihn nicht wie sonst mit Fragen bestürmte. Im Gegenteil, sie schien es gar zu vermeiden, ihm unter die Augen zu treten. Ob ihr mittlerweile gleichgültig war, wohin er mehrmals im Jahr aufbrach? Früher hatte sie es unbedingt wissen wollen. John strich sich über die Bartstoppeln am Kinn. Zärtlichkeit und Nähe, die seine junge Frau vermutlich brauchte, konnte er ihr ebenso wenig schenken wie sein Herz, denn das gehörte für immer einer anderen. Auch Kinder würden Catlin und er niemals haben, das hatte sie vor dem Gang zur Kirche gewusst und dennoch auf der Heirat bestanden. Gewiss fühlte sie sich unendlich einsam an seiner Seite und drohte an der Leere zu verzweifeln. John empfand tiefes Mitleid mit ihr. Sie war so jung, hatte das Leben noch vor sich und wäre gewiss eine wunderbare Mutter gewesen. Herzlich und fürsorglich, wie es einst sein geliebtes Weib gewesen war. John schluchzte unwillkürlich auf. Wie gern hätte er eine ganze Schar Kinder mit Catlin gehabt. Töchter, die so schön und klug waren wie sie, Söhne, die mit ihrem außergewöhnlichen Gehör und ihrem Ehrgeiz gesegnet waren, doch das war nicht möglich.
Randal grinste siegessicher. Die Spinne hatte ihr Netz gewoben, sorgfältig und geduldig. Nun hieß es abwarten, bis sich die Beute so hoffnungslos verfing, dass es kein Entrinnen mehr gab. Randal war zufrieden. Endlich war der Herr mit ihm! Sein Plan war unfehlbar, und seine Geduld würde auf keine lange Probe gestellt werden. Ja, der Wind schien sich bereits zu seinen Gunsten zu drehen. Beglückt schnalzte er mit der Zunge. Flint war ihm im rechten Augenblick über den Weg gelaufen. Bei einem Krug Bier hatte er ihm von dem Londoner Glockengießer erzählt und ihm in Aussicht gestellt, auch die Gunst der jungen Meisterin erringen zu können. Einen trefflicheren Köder als Flint konnte sich Randal nicht vorstellen. Schmuck anzusehen war der Geselle, und sein hübscher Kopf barst schier vor schmutzigen Gedanken. Skrupellos war er, dreist und unbeirrbar. So war es ein Leichtes gewesen, ihm den Mund wässerig zu machen. Immerhin war das junge Ding, mit dem der Meister verheiratet war, recht artig anzusehen, ein Leckerbissen gar, wenn auch nach Randals Dafürhalten ein bisschen zu spröde. Bevor er London bei seinem letzten Besuch den Rücken hatte kehren müssen, war Randal noch einmal zur Werkstatt geeilt und hatte sie aus einer dunklen Gasse hervor beobachtet. Der wehmütige Blick der jungen Frau hatte ihn an seine eigene Sehnsucht nach Liebe und Zuwendung erinnert, und einen Augenblick lang hatte sie ihm leidgetan. Sein unbändiges Verlangen nach Rache aber hatte rasch wieder die Oberhand gewonnen. Zweifel waren fehl am Platze gewesen. Randal atmete tief ein. Flint war ein Tunichtgut, einer jener Männer, die auch die kleinste Gelegenheit wittern, sich in das Herz einer nach Liebe dürstenden Frau einzuschleichen. Wenn es einem Burschen gelingen mochte, die Frau des Meisters zu verführen, dann ihm. Und da Flint ein recht ordentlicher Glockengießer war, nicht übermäßig begabt, aber stark und zuverlässig, hatte er den Meister unter Befolgung von Randals Ratschlägen ohne große Mühe von sich überzeugt. Randal hatte schon mit Flint gearbeitet, wusste, dass er zupacken, die Hände aber nicht von den Weibern lassen konnte. Des einen Pech war des anderen Glück.
Randal zuckte zusammen, als der Meister die Werkstatt verließ, und wich in die schmale Gasse zurück, in der er auch diesmal wieder
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