Das Ultimatum
Kandidaten für ein Ministeramt wieder zurückziehen müssen, nachdem die Medien irgendwelche geringfügigen Verfehlungen aus ihrer Vergangenheit zutage gefördert hatten. Als die Regierung schließlich komplett war, wollte Stevens keine weitere peinliche Niederlage riskieren, indem sein Kandidat für den Direktorposten der CIA möglicherweise vom Bestätigungsausschuss zurückgewiesen worden wäre. Er beschloss also, Stansfield vorerst im Amt zu belassen, bis sich eine günstige Gelegenheit bot, ihn loszuwerden. Nun musste der Präsident feststellen, dass er zu lange gewartet hatte.
Stevens wandte sich Irene Kennedy, der Antiterror-Spezialistin der CIA, zu. »Dr. Kennedy, wie ist Ihre Einschätzung?«
Irene Kennedy hatte wohl von allen Anwesenden den mit Abstand höchsten IQ. Die achtunddreißigjährige Mutter eines kleinen Sohnes, die Arabistik und Militärgeschichte studiert hatte, beugte sich vor und nahm ihre Brille ab. Ihr hellbraunes Haar trug sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und sie war, wie meistens, mit einem Hosenanzug bekleidet. »Ich muss dem zustimmen, was Special Agent McMahon gesagt hat«, begann sie selbstbewusst. »Es handelt sich bei den Tätern entweder um Terroristen, gedungene Killer oder um ehemalige Angehörige der Streitkräfte. Ich persönlich würde eher zu Letzterem tendieren.«
»Wie können Sie sich da so sicher sein?«, platzte Garret heraus.
»Ich nehme an, dass es Angehörige der Sondereinsatzkräfte waren, weil Mr. Burmiester noch am Leben ist.«
Garret verzog gereizt das Gesicht. »Mr. Wer?«
»Mr. Burmiester, der Nachbar des Abgeordneten Koslowski. Wenn diese Tat von Terroristen begangen worden wäre, dann wäre Mr. Burmiester jetzt tot. Terroristen machen sich nicht die Mühe, irgendjemanden, der ihnen im Weg steht, zu betäuben. So jemand wird normalerweise getötet. Wenn die Täter Terroristen wären, dann wären Mr. Burmiester und die Frau im Park jetzt mit Sicherheit tot. Nein, diese Morde wurden von Angehörigen der Special Forces ausgeführt.
Terroristen und Sondereinsatzkräfte werden einer intensiven Ausbildung unterzogen, die in vielem sehr ähnlich ist. Der große Unterschied liegt in der Planung einer Operation. Für Terroristen bedeutet ein Menschenleben im Prinzip gar nichts. Sie neigen außerdem dazu, ihre Opfer auf möglichst spektakuläre Weise zu töten. Schließlich wollen sie mit ihrer Tat Angst und Schrecken in der Öffentlichkeit verbreiten – deshalb nennt man sie ja auch Terroristen. Sie töten mit Autobomben oder Maschinengewehren, ohne dabei auf Unschuldige Rücksicht zu nehmen, die zufällig in der Nähe sind.
Killer, die aus den Reihen der Streitkräfte kommen, sind so ausgebildet, dass sie nicht unnötig töten, und sie machen es so still und unauffällig wie möglich. Sie halten sich bei ihren Taten noch an gewisse moralische Richtlinien. Es hat wohl in Kriegszeiten oder bestimmten Krisensituationen Fälle gegeben, wo diese Richtlinien über Bord geworfen und auch Unschuldige getötet wurden, aber das ist eher die Ausnahme als die Regel, während es für Terroristen völlig normal ist, auch Unschuldige zu töten.«
Garret war irritiert von der Gewissheit, mit der Irene Kennedy ihren Standpunkt vertrat. »Sie sind sich Ihrer Sache ja sehr sicher, Dr. Kennedy. Können Sie denn mit Sicherheit ausschließen, dass diese Taten von einer Terrorgruppe begangen wurden?«
»Ich glaube nicht, dass eine fundamentalistische Terrorgruppe dahintersteckt – eine Gruppe, die, wie Sie gemeint haben, keine Freude am Friedensprozess im Nahen Osten hätte. Was die Möglichkeit betrifft, dass es inländische Terroristen gewesen sein könnten, etwa in der Art der Aryan Nation … da muss ich sagen, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie über Leute verfügen, die so minutiös vorgehen können. Außerdem, warum sollten sie jemanden wie Senator Downs töten? Er ist schließlich ein Freund der Waffenlobby und der Streitkräfte. Wahrscheinlich ist er einer der wenigen Politiker, den diese Milizen gut finden.«
»Nun«, warf Garret in spöttischem Ton ein, »da bin ich aber froh, dass Sie mit den wenigen Informationen, die wir zur Verfügung haben, den Fall schon gelöst haben. Wie können Sie sich Ihrer Sache so sicher sein, wo Sie doch fast nichts darüber wissen?«
McMahon starrte Garret an und dachte bei sich: Gott, der Kerl ist wirklich das Letzte. Direktor Roach sah den Blick seines Agenten und legte ihm eine Hand auf den Arm. McMahon nahm den Arm
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