Das Ultimatum
folgenden Jahres wurde aus der gegenseitigen Anziehung eine ernsthafte Liebesbeziehung, in der auch schon von Heirat die Rede war. Die Sache hatte nur einen Haken – Michael wollte aus Washington weg, aber Liz war sich noch nicht sicher, ob sie dazu bereit war. Sie liebte ihren Job längst nicht mehr so wie am Anfang, doch es war auch nicht so, dass sie ihn hasste. Sie hatte fleißig gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo sie jetzt war, und sie wusste nicht, ob sie bereit war, das alles aufzugeben und nach Minnesota zu ziehen.
Liz lächelte Michael an und fragte: »Sag, hast du mich gestern im Fernsehen gesehen?«
Das Lächeln verschwand aus O’Rourkes Gesicht. »Was hast du eigentlich mit dem Auftritt bezweckt? Du weißt doch, dass ich solche Publicity nicht mag.« O’Rourke veränderte seine Stimme, um sie nachzumachen. »›Mr. President, der Abgeordnete O’Rourke hat die Ansicht geäußert, dass Sie in Ihrem Budget jede Menge Geschenke verteilen, die nicht dem Land, sondern nur einigen wenigen zugute kämen.‹ Also wirklich, Liz, den ganzen Nachmittag haben irgendwelche Journalisten in meinem Büro angerufen.« O’Rourke war ziemlich wütend gewesen, als er im Fernsehen mitverfolgt hatte, wie sie ihn zitierte – aber jetzt, da er ihr gegenübersaß, war dieser Ärger wie weggeblasen.
»Na ja, es tut mir Leid, Michael, aber du stehst nun mal in der Öffentlichkeit, und darum interessiert es die Leute, was du zu sagen hast.«
»Also, wenn irgendein Klatschkolumnist etwas über mich schreibt, kann ich nichts dagegen tun. Aber bei dir ist das ja wohl hoffentlich anders. Was ich dir im Bett erzähle, sollte wirklich unter uns bleiben.«
Liz beugte sich über den Tisch. »Na gut, wenn du das wirklich willst, dann werde ich es respektieren, aber ich kann deine Aversion gegen die Presse wirklich nicht verstehen. Du bist der einzige Politiker, den ich kenne, der sich geradezu bemüht, nicht im Rampenlicht zu stehen.«
»Liz, wir haben das schon oft genug diskutiert. Fangen wir nicht wieder damit an.« Michael sah sie mit einem gezwungenen Lächeln an. »Gratuliere übrigens! Du hast gestern eine gute Figur gemacht. Du warst die Einzige, die ihm die Stirn geboten hat. Die anderen Waschlappen haben es ihm ziemlich leicht gemacht mit ihren Fragen.«
»Genau deshalb werden sie ja aufgerufen. Diese Pressekonferenzen sind ein Riesenschwindel. Der Präsident ruft immer dieselben Journalisten auf, weil er sich darauf verlassen kann, dass sie ihm genehme Fragen stellen.«
Der Präsident saß im dunklen Anzug, mit gestreifter Krawatte und weißem Hemd an seinem Schreibtisch im Oval Office. Man hatte ihm einige Papiertaschentücher in den Kragen gestopft, und eine Frau stand bei ihm und schminkte ihm das Gesicht. Stu Garret stand auf der anderen Seite neben ihm und schärfte ihm noch das eine oder andere Detail ein. Ted Hopkinson überprüfte währenddessen, ob alles vorbereitet war. In fünf Minuten würde der Präsident live vor die Nation treten.
Garret winkte die Frau beiseite, die mit dem Make-up beschäftigt war. »Das reicht. Er sieht großartig aus! … Also, Jim, Sie können schon mal anfangen, ein ernstes Gesicht zu machen. Sie müssen den Leuten Schmerz und Trauer vermitteln. Sie können im ersten Teil ruhig geknickt wirken und die Schultern ein wenig hängen lassen. Wenn Sie dann zu dem Abschnitt kommen, wo Sie auf die Gründerväter unseres Landes zu sprechen kommen, müssen Sie eine aufrechte Haltung einnehmen. Klopfen Sie aber lieber nicht mit der Faust auf den Tisch, wie Sie es bei der letzten Probe gemacht haben. Das wirkt ein bisschen übertrieben. Am besten ist es, wenn Sie die Faust schütteln – langsam und bedächtig, so als wollten Sie jedes einzelne Wort betonen, das Sie sagen.«
Hopkinson trat zu den beiden und nahm dem Präsidenten die Papiertaschentücher aus dem Kragen. »Sir, Sie wissen ja, worauf Sie zu achten haben. Berühren Sie bitte nicht Ihr Gesicht, Ihr Hemd oder Ihre Krawatte. Sie würden das Make-up verschmieren, und wir sind in wenigen Minuten auf Sendung.«
Liz Scarlatti und Michael O’Rourke studierten die Speisekarte und unterhielten sich dabei über die mysteriösen Mordfälle, als die Geräuschkulisse der vielen Gäste plötzlich verebbte. Als sie aufblickten, sahen sie das Gesicht des Präsidenten auf jedem Bildschirm in der Bar. Einige Leute machten sarkastische Bemerkungen, wurden aber rasch mit Zurufen zum Schweigen gebracht. Der Präsident begann mit seiner
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