Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
Beschleuniger. Ein Hadron ist nur ein Proton oder ein Neutron oder ein ähnliches Teilchen, und die haben eine Standardgröße genau wie Tischtennisbälle. Sie sind eigentlich genauso wie Tischtennisbälle, nur etwa fünfundzwanzig Billionen Mal kleiner.«
Die Zahl sagt mir gar nichts.
»Zwei Komma fünf mal zehn hoch dreizehn. Fünfundzwanzig gefolgt von zwölf Nullen.«
Das sagt mir noch weniger.
»Wenn man ein Proton auf den Durchmesser eines Tischtennisballs vergrößern würde«, erklärte ich, »und dann den Tischtennisball im selben Verhältnis vergrößert, dann hätte der Tischtennisball am Ende einen Durchmesser, der siebenhundertmal so groß ist wie der Durchmesser der Sonne. Das würde etwa der Größe von Betelgeuze entsprechen.«
Das ist ja völlig grotesk , schrieb Mr. Peterson.
Obwohl das Gebäude von außen sehr streng wirkte, sah der Globus der Wissenschaft und Innovation von innen aus wie die Kommandozentrale eines außerirdischen Raumschiffs. Mr. Peterson fand es irgendwie halluzinogen , und obwohl es nur wenig mit den Halluzinationen gemein hatte, die ich aus eigener Erfahrung kannte, wusste ich, was er meinte. Der Innenraum war eine riesige kreisrunde Arena, in der scheinbar willkürlich unterschiedlich große Kugeln, Bildschirme und interaktive Displays angebracht waren. Alles war von farbigen Scheinwerfern beleuchtet, die sich bewegten, dunkler und heller wurden, während man durch den Raum ging. Die Lichter hatten ziemlich grelle, futuristische Farben wie Türkis, Violett und ein elektrisches Blau, und überall waren merkwürdige, fließende Geräusche zu hören, ein Summen und Zischen im Hintergrund. Es waren die Standardmethoden, mit denen Marketingteams und PR-Leute die Teilchenphysik aufpeppten, als ob sie das nötig hätte. Nichtsdestotrotz musste ich zugeben, dass die audiovisuellen Effekte ziemlich beeindruckend waren, und die Ausstellung selbst war überzeugend. Die interaktiven Displays hatten auch eine englische Sprachausgabe, was Mr. Peterson von der Notwendigkeit enthob, irgendetwas lesen zu müssen. Eine Berührung des Bildschirms löste einen zwei- bis fünfminütigen Vortrag aus über Themen wie Antimaterie, Dunkle Energie, die Heisenberg’sche Unschärferelation und so weiter. Es gab endlos viele Informationen, aber da Mr. Peterson den Grafiken auf den Bildschirmen nicht folgen konnte, weil sie für seine Augen zu schnell wechselten, vervollständigte ich hier und da das Bild für ihn. Anfangs erklärte ich bloß, was auf den Bildschirmen zu sehen war, aber mit jedem Display wurden meine Ausführungen komplizierter. Ich weiß auch nicht warum, aber je mehr ich redete, desto weniger Lust zum Aufhören hatte ich. Und ausnahmsweise schien auch Mr. Peterson kein Interesse daran zu haben, mich zum Schweigen zu bringen. Er stellte mir sogar Fragen.
Vielleicht hatte ihm der Tischtennisball-Vergleich Appetit auf mehr gemacht. Aus irgendeinem Grund amüsierten ihn diese aberwitzigen Gegenüberstellungen – von den unfassbaren Zahlen und Werten, von denen es in der Physik nur so wimmelt, ganz zu schweigen. Natürlich lieferten uns die Displays eine erhebliche Anzahl Statistiken und Analogien. Wir bekamen das übliche Beispiel für die Beschreibung des Atoms zu hören, nämlich: Wenn man ein Atom auf die Abmessungen eines Fußballstadions vergrößert, wäre sein Kern eine einzige Erbse im Mittelpunkt des Stadions, und die Elektronen wären die Staubflocken, die sich bis zu den äußersten Rängen der Tribüne ziehen. Alles andere wäre leerer Raum. Dann gab es die Höchstgeschwindigkeit, auf die die Hadronen im Großen Hadronen-Speicherring beschleunigt wurden: 99,999999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Bei dieser Geschwindigkeit durchkreisten die Hadronen den siebenundzwanzig Kilometer langen Beschleunigungstunnel etwa elftausendmal pro Sekunde. Aber mit dieser Information gab sich Mr. Peterson nicht zufrieden. Es dauerte nicht lange, und ich musste allerlei absurde mathematische Probleme für ihn lösen.
Wie lange würde es dauern, bis ein Hadron in Zürich ist? , wollte er wissen.
Auf die Rückseite seines Notizblocks kritzelte ich meine Berechnungen, die ich ihm dann im Licht des Displays zeigte. »Wenn es die A1 nehmen würde, knapp unter einer Tausendstelsekunde«, antwortete ich. »Wir brauchen dagegen drei Stunden mit dem Auto.«
Wie lange von Zürich bis zur Sonne? ,fragte Mr. Peterson.
»Acht Minuten und zwanzig Sekunden.« (Das musste ich nicht
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