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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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sehr du glaubst , provoziert worden zu sein.«
    »Er hat es verdient!«
    »Nein, hat er nicht! Niemand verdient diese Beleidigung.«
    »Niemand?«
    »Niemand!«
    Ich wartete kurz ab. »Was ist mit Hitler?«, fragte ich dann. Ich hatte schon eine Weile überlegt, wann ich die Hitler-Karte ausspielen sollte, obwohl mir klar war, dass es meiner Sache kaum dienlich sein würde. Der Gegenangriff – mit dem ich gerechnet hatte – folgte auf dem Fuße.
    »Also, Lex, ehrlich!« Sie stützte die Hände in die Hüften. »Ich glaube ja nicht, was ich da höre! Willst du allen Ernstes den jungen Mackenzie mit Hitler vergleichen?«
    »Nun … ich weiß nicht. Vielleicht nicht. Aber andererseits hatte Drake Mackenzie noch keine Zeit, seine Boshaftigkeit zu entwickeln. Er hatte nicht die gleichen Möglichkeiten. Ich bin mir sicher, dass niemand ahnte, wie schlimm Hitler mal werden würde, als er noch ein Kind war.«
    »Lex, das ist absolut lächerlich! Geradezu beleidigend idiotisch.«
    »Ich meine damit doch nur, dass es noch ein bisschen zu früh ist, um Genaues sagen zu können. Aber wenn man Drake Mackenzie ein Land anvertrauen würde, dann bin ich mir ganz sicher, dass nach kurzer Zeit alles den Bach runtergehen würde.«
    »Lex, hör mir mal genau zu: Drake Mackenzie ist nicht böse. Er mag unausstehlich sein, unreif, aufbrausend und unangenehm und alles, was du sonst noch über ihn behauptest, aber das heißt nicht, dass du ihn dämonisieren solltest. Du weißt nicht alles über ihn. Du hast nicht das Recht zu sagen, was du gesagt hast. Ansonsten bist du nicht besser als er. Nun? Was hast du dazu zu sagen?«
    »Er hat es verdient! Er ist nicht nur unangenehm – er ist grausam. Es macht ihm Spaß, andere Menschen zu demütigen.«
    »Ach tatsächlich?«
    »Ja – tatsächlich!«
    »Und was genau hast du deiner Meinung nach getan, als du ihn so beschimpft hast?«
    Ich gab keine Antwort.
    »Nein, ehrlich, Lex: Das würde ich gerne wissen. Du hast ihn gedemütigt. Wie hast du dich dabei gefühlt?«
    »Das ist was anderes«, murmelte ich. »Er hat es verdient.«
    »Wir reden hier nicht darüber, ob er es verdient hat. Wir reden darüber, wie du dich dabei gefühlt hast?«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte ich. »Das ist etwas völlig anderes.«
    Aber irgendwie, trotz all meiner guten Vorsätze, hatte meine Mutter eine Möglichkeit gefunden, mir meinen kurzen Moment des Triumphs zu vermiesen. Jenes Glücksgefühl, das ich angesichts meiner Auflehnung gegen Drake Mackenzie empfunden hatte, verschwand.
    »Ich nehme es trotzdem nicht zurück«, sagte ich trotzig.
    Meine Mutter zuckte mit den Schultern. »Dazu kann ich dich nicht zwingen.«
    Aber was sie wirklich damit meinte war, dass es nicht mehr nötig war. Sie hatte wenigstens einen Aspekt meiner Rebellion diskreditiert, und damit hatte sie der ganzen Sache die Rechtfertigung geraubt. Es war ein kleiner Sieg, aber nichtsdestotrotz ein Sieg. Obwohl ich mir treu blieb und in säuerlichem Schweigen den Rest meiner Strafe absaß, wussten wir beide, dass sie gewonnen hatte.
    Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, jeden Tag zwei Runden auf dem Schulgelände zu drehen. So konnte ich die einstündige Mittagspause herumbringen und gleichzeitig so weit weg sein von anderen Menschen wie möglich. Es war zwar nicht der schönste Spazierweg in Somerset, aber zu dieser Zeit, als ich abends und an den Wochenenden im Haus eingesperrt war, war es alles, was ich hatte. An einigen Stellen war es auch gar nicht so übel. Der Gärtner, der mit der Pflege der Außenanlagen beauftragt worden war, machte sich die Arbeit leicht und kümmerte sich nur um die rechteckigen Rabatten, den Fußballplatz und die Bereiche, die von Passanten und Besuchern eingesehen werden konnten. Die Randbereiche dagegen, die von hohen Zäunen und Hecken eingerahmt waren, wurden von dem Gärtner stets vernachlässigt und verwilderten zusehends. Im Sommer war das Gras auf diesem Randstreifen dicht und verschlungen und roch frisch und süß, und es gab Unkraut und wilde Blumen, die Bienen und Schmetterlinge anlockten. Wenn man Glück hatte, konnte man auch eine Feldmaus durch das Gestrüpp am Boden huschen sehen oder ein Eichhörnchen, das an einem Baum hinaufkletterte. Und je weiter man sich vom Schulhaus wegbewegte, desto wilder wurde die Wildnis und desto weniger Leute verdarben einem die Stimmung. Am anderen Ende des Sportplatzes lag die Wahrscheinlichkeit, eine Elster zu sehen oder eine Finkenfamilie, wesentlich höher,

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