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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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Laden verbringen (samstags sogar neun), was ebenfalls sehr umständlich für alle war. Zu dieser Zeit bekamen Justine und Sam »Probleme«, Probleme, die mich nichts angingen. Meine Mutter wollte mir darüber nicht mehr sagen, als dass sie eine »schwierige Zeit« durchmachten und Justine aus diesem Grund manchmal nicht ganz auf dem Posten war. Das hatte ich auch schon bemerkt. Oft wirkte Justine so geistesabwesend, dass man glauben konnte, sie sei in eine jener »anderen Existenzebenen« meiner Mutter übergegangen, und manchmal, wenn sie aus ihrer Pause zurückkam, waren ihre Augen rot und geschwollen. Einen schlechteren Zeitpunkt, um allen im Weg zu sein, hätte es nicht geben können – was ich natürlich sofort meiner Mutter unter die Nase rieb.
    »Du hast recht«, sagte sie. Und damit war die Sache erledigt.
    Justine war schlecht gelaunt. Meine Mutter war schlecht gelaunt. Sam war schlecht gelaunt. Und natürlich war auch ich schlecht gelaunt. Die ersten Tage war ich sehr trübsinnig und danach zunehmend gelangweilt. Meine Mutter versuchte, mich mit kleinen Arbeiten zu beschäftigen – Schecks ablegen und so etwas –, aber meistens gab es nichts, womit ich mir die Zeit vertreiben konnte. Dann saß ich in der Ecke hinter dem Tresen – so weit in der Ecke wie möglich, damit auch alle mitbekamen, wie sehr ich schmollte – und beobachtete das Kommen und Gehen der Kunden.
    Ich muss Ihnen vermutlich nicht sagen, dass eine Menge merkwürdiger Leute in den Laden meiner Mutter kamen. Ich schätze, dass höchstens ein Drittel nicht in die Kategorie »seltsam« fiel – die Touristen und manchmal ein paar Schülerinnen in meinem Alter oder ein bisschen älter. Einige von ihnen kannte ich aus Asquith, aber falls sie mich ihrerseits erkannten, so ließen sie das mit keinem Wimpernzucken erkennen. Das störte mich nicht weiter. Ich war es gewohnt, dass ich von Mädchen nicht bemerkt wurde. Was mich hingegen störte, war die Meinung meiner Mutter, nämlich dass Schülerinnen dieser Altersgruppe besonders anfällig seien für Ladendiebstahl und deshalb eine Sonderbeobachtung benötigten – und zwar von dem Moment an, in dem sie den Laden betraten bis zu seinem Verlassen.
    »Behalte diese Mädchen im Auge«, sagte sie dann zu mir.
    »Warum ich?«, protestierte ich. »Behalte du sie doch im Auge!«
    »Mach doch kein Theater«, zischte sie mir zu. »Das wird dir doch wohl nicht zu viel Mühe machen, oder?«
    »Die denken doch, ich glotze sie an.«
    »Na und? Das macht dir doch sonst nichts aus, oder?«
    »Das ist etwas anderes. Das ist peinlich. Was, wenn sie mich dabei erwischen? Was, wenn sie hochgucken und merken, dass ich sie beobachte?«
    Woraufhin meine Mutter ein gedämpftes, belustigtes Lachen ausstieß. »Nun, Lex, du könntest zum Beispiel lächeln. Du wirst merken, dass sie nicht beißen.«
    Das ärgerte mich maßlos. Zunächst einmal fand ich, dass meine Mutter nicht der ideale Typ für eine Beziehungsberatung war. In Wahrheit fühlte ich mich Auge in Auge mit einem Mädchen viel wohler als mit einem Jungen. Das war schon immer so gewesen. Es waren nur Mädchen horden , mit denen ich meine Probleme hatte, denn in der Gruppe waren Mädchen tatsächlich zum Fürchten. Sie flüsterten ständig und kicherten und wechselten mysteriöse Blicke. Es war unfair, von mir zu erwarten, damit zurechtzukommen. Aber wie immer ließ meine Mutter nicht mit sich reden. Es fiel mir zu, sie zu beobachten, mich zu winden und zu erröten und alles, was mir »verdächtig« vorkam, umgehend zu berichten.
    Das war eine unmögliche Aufgabe und zwar aus zwei Gründen: Erstens war eine Gruppe von Mädchen immer verdächtig. Und zweitens sahen die meisten anderen Kunden meiner Mutter mindestens ebenso bedenklich aus. Im Laden meiner Mutter war verdächtiges Aussehen reine Ansichtssache und daher zumeist bedeutungslos. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Mann in einem langen Ledermantel und einem breitkrempigen Lederhut, der extrem viel Zeit vor den eingelegten Tieren verbrachte – etwa eine Dreiviertelstunde. Dann drehte er sich um und ging wortlos aus dem Laden. Und ein derartiges Benehmen war nicht ungewöhnlich. Ich erinnere mich nur aus einem einzigen Grund an diesen besonderen Mann, nämlich weil ich Männern von diesem Typ immer besondere Beachtung schenke – einzelne Männer in einem bestimmten Alter, die scheinbar ziellos irgendwo herumlungern. Dies basiert auf einer Fantasie aus meiner früheren Kindheit, in der einer dieser

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