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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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konnte man nicht erwarten – was eigentlich? Daß er bereits bemerkt hatte, was für ein großartiger Kriminalist dieser dumme, schweigsame Unteroffizier war, der ein überflüssiges kleines Revier leitete? Eben das war ja so schrecklich: Der Colonnello hatte nur bestätigt, was der Maresciallo selbst von sich dachte. Dagegen konnte er sich nicht verteidigen. Er konnte sich nicht einmal ins Unrecht gesetzt fühlen. Er fühlte sich nicht ins Unrecht gesetzt. Doch der Capitano… Capitano Maestrangelo war ein guter Mann, ernsthaft und aufrichtig.
    Sie kannten einander gut, und der Maresciallo hatte zumindest immer gegenseitige Achtung zwischen ihnen gespürt. Er wußte, daß er keinen scharfen Verstand hatte, und bei Fällen, bei denen Verstand und Logik erforderlich waren, hatte er immer als erster zugegeben, die Hilfe des Capitano zu benötigen, und diese auch gesucht. Trotzdem war er immer der Meinung gewesen, etwas beigetragen zu haben, und dieses Etwas, was es auch gewesen sein mochte, hatte die Anerkennung des Capitano gefunden.
    Immer wieder dachte er im Lichte dessen, was er nun wußte und was er damals nicht verstanden hatte, über die Szene in Maestrangelos Büro an jenem ersten Morgen nach. Es war immer dasselbe mit ihm: Bilder, Bewegungen, Szenen prägten sich ihm ein, sie jedoch so zu verknüpfen, daß sie einen Sinn ergaben, das gelang ihm nicht.
    Er sah die glatten braunen Hände des Capitano vor sich, die den Stift auf seinem Schreibtisch gedreht hatten, und die grauen Augen, die seinem fragenden Blick immer wieder ausgewichen waren.
    »Warum ich?«
    Er hatte keine Antwort erhalten, man hatte ihm keine Lügen aufgetischt. Und schon damals, fiel ihm ein, hatte er sich gefragt, warum Simonetti sich einen so hoffnungslos schwierigen Fall aufgeladen hatte.
    »Er kommt mir nicht wie ein Mann vor, der sich vor aller Öffentlichkeit blamieren will.«
    »Nein. Das würde ihm gar nicht gefallen.«
    Aber selbst nach diesen Worten hatte er nichts kapiert. Und der Capitano hatte ja nicht rundheraus sagen können, daß man die Absicht hatte, ein Monster aus der Retorte herbeizuzaubern und Beweise zu manipulieren, weil das einfacher war, als den richtigen Mann zu finden. Vielleicht hatte man das zu Anfang, als man Romola den Fall aus der Hand nahm, ja auch nicht beabsichtigt, als die jetzige Sonderkommission zusammengestellt wurde, zweifellos aber schon. Inzwischen war so lange nichts mehr passiert, daß niemand ernsthaft glaubte, das wirkliche Ungeheuer könne erneut zuschlagen und Ermittlungsergebnisse zunichte machen, wie es Romola so häufig widerfahren war. Außerdem hatte man durch das provozierte Inzestverfahren den Boden bereitet. Erst danach konnte man gefahrlos die Unschuldigen auf die Bühne holen, ihn selbst, Bacci, den jungen Kollegen Noferini mit seinem Computer und seinem Eifer, der gestern über die Wahrheit gestolpert sein mußte und dafür gemaßregelt worden war. Und bei Ferrini wußte der Maresciallo nicht mehr, was er denken sollte.
    »Wer hat die Entscheidung hinsichtlich der drei Carabinieri getroffen?«
    »Die Entscheidung wurde hier getroffen. Von uns.«
    Wenn er gesagt hätte, dafür sei der Colonnello verantwortlich – doch das hatte er nicht gesagt. Er hatte »wir« gesagt und dieses Wir sogar betont, und damals hatte dies dem Maresciallo ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, denn der Colonnello kannte ihn im Gegensatz zum Capitano nicht. Eine schöne Ironie, wie sich nun erwies, denn dasselbe Wir war nun die wichtigste Ursache seines Schmerzes.
    »Hier biegen wir ab, nicht?«
    Wenn bloß Teresa dagewesen wäre! Sicher, sie hatte sich ebenfalls geirrt, andererseits aber, wer hätte je gedacht… Der Capitano hält viel von dir.
    Es sah Teresa gar nicht ähnlich, in einer solchen Angelegenheit einem Irrtum zu erliegen. Ihr fielen doch immer die Dinge auf, die ihm entgingen, doch nicht einmal sie hätte wegdiskutieren können, was er an diesem Vormittag gehört hatte.
    Was hielt Teresa von Ferrini? Einmal hatte sie gesagt, er habe in seinem Leben zu viel Zeit damit verbracht, Ganoven zu fassen, und dies habe auf seine Persönlichkeit abgefärbt, denn anstatt normal an einer Unterhaltung teilzunehmen, neige er dazu, andere auszufragen. Manchmal, sagte sie, ginge von ihm etwas deutlich spürbar Bedrohliches aus, und sie könne sich genau vorstellen, wie es sei, wenn er jemandem Handschellen anlegte und den Rat gab, sich das Gewissen zu erleichtern. »Ich weiß nicht, ob ich mich

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