Das Ungeheuer von Florenz
stehen und gibt an, hier habe sein Vater ihn abgesetzt und zu ihm gesagt, er solle an dem weißen Haus mit dem Licht klingeln und sagen, sein Vater sei krank und liege im Bett. An dieser Stelle sei der Vater umgekehrt.
3.2. Unterstützendes Beweismaterial Zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen wird Sergio Muscas, der Vater, noch einmal dazu befragt, wer Nicolino begleitet habe. Seiner letzten Version zufolge war dies Flavio, doch als er erfährt, was sein Sohn dem Maresciallo erzählt hat, läßt er diese Version sofort fallen, schwenkt auf die Darstellung des Kindes um und räumt ein, den Jungen selbst begleitet zu haben. Die Sache scheint nun klar, doch als man Sergio zu Rossinis Haus bringt und ihn bittet, den Weg zu zeigen, den er gegangen sei, nachdem er das Kind abgesetzt habe, wird die Geschichte noch rätselhafter. Zum einen beschreibt Sergio das Haus als ein graues Bauernhaus aus Stein, wohingegen es sich um ein solches gerade nicht handelt, da es, anders als die anderen Gebäude an der Straße, von neuerer Bauart, groß und weiß getüncht ist. Sie gelangen abends zu dem Haus, und der Scheinwerfer an der Vorderseite ist wie in der Mordnacht eingeschaltet. Dies jedoch erkennt Sergio nicht. Man begeht die durch die Felder führende Landstraße, doch trotz der auffälligen kleinen Brücke erkennt Sergio die rechte Abzweigung nicht und geht auf der linken Abzweigung weiter, die im Zentrum von Signa endet, gute drei Kilometer vom Tatort entfernt. Man hält Sergio seinen Fehler vor, doch er bleibt verwirrt, und als die Beamten den Weg mit Sergio noch einmal in umgekehrter Richtung gehen, biegt er dreimal falsch ab, bevor sie auf die Straße treffen, in die Belinda und Lo Russo in der Mordnacht eingebogen waren.
Während der Rückfahrt zum Gefängnis sagt Sergio: »Es hat doch keinen Zweck, wenn ich dem Kind widersprechen würde. Alle werden dem Kleinen glauben und nicht mir, denn er ist ein unschuldiges Kind. Das bedeutet aber noch lange nicht, daß er die Wahrheit sagt.«
Gefragt, warum er glaube, daß das Kind lüge, behauptet er, Flavio habe dem Kind gedroht, es zu töten, wenn es redete. Er fügt hinzu, daß er auch um sein Leben gefürchtet habe und daß er deshalb zeitweilig Silvano beschuldigt habe.
3.3. Glaubwürdigkeit Keine der Versionen darüber, wer das Kind in der Mordnacht begleitete, erscheint glaubwürdig. Es ist zwar verständlich, daß Komplizen, die von dem Kind nicht gesehen wurden und nicht identifiziert werden konnten, es auch nicht im Auto mitnehmen wollten, doch das Risiko, das Kind den ganzen Weg bis zu Rossinis Haus zu begleiten und anschließend zum Tatort zurückzukehren, wäre für jeden Täter zu groß. Und sollte etwa derjenige, der am Tatort zurückblieb, zwei Stunden neben den soeben ermordeten Opfern warten, um anschließend den Begleiter des Kindes nach Hause zu bringen? Das Rätsel um die Begleitperson Nicolinos bleibt während der gesamten Untersuchung, während des Prozesses und der Berufungsverhandlung ungelöst.
3.4. Die Onkel Nach der Verhaftung seines Vaters wird Nicolino in ein Waisenhaus gebracht, wo Carabinieri und Ermittlungsrichter ihn weiter befragen. Zuerst mußte die Beschreibung verifiziert werden, die der Junge anfänglich vom Mörder gegeben hatte, als er sagte: »Onkel Fabio hat in die Tasche von meiner Mama geguckt, und dann hat er im Handschuhfach rumgekramt, und dann ist er weggegangen.«
Als er im Waisenhaus gebeten wird, dies zu wiederholen, wird aus »Onkel Fabio« plötzlich »Onkel Flavio«. Das Kind nennt zwar alle Liebhaber seiner Mutter Onkel, aber es hat tatsächlich einen Onkel Fabio. Der leibliche Onkel ist Sergios Bruder, und Fabio und Tina Muscas, seine Frau, kümmerten sich um Nicolino, bis er ins Waisenhaus kam. Er besucht sie an den Wochenenden, und obwohl sie noch zögern, werden sie ihn schließlich an Kindes Statt annehmen. Nicolino hat sonst niemanden mehr als seinen Großvater, den greisen und gebrechlichen Vater Sergios und Fabios. Gab Nicolino aus Versehen plötzlich einen anderen Namen an, oder hat er die zwei Männer einfach verwechselt? Er wird im Verlauf der Befragung gebeten, Fabio zu beschreiben.
»Er hat lockige Haare und einen Schnurrbart, und er arbeitet in einem großen Haus, wo Brot gebacken wird, und er hat eine kleine Tochter, sie heißt Dina. Sie ist meine Cousine, und sie ist sechs.«
»Das ist richtig. Wir haben sie schon kennengelernt. Hat sie auch eine aufziehbare Eisenbahn wie du?«
»Das ist nicht meine. Die
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