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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Dame hat gesagt, ich darf mit ihr spielen. Ich möchte nicht hierbleiben. Ich möchte nicht hier schlafen.«
    »Gefällt es dir nicht, hier zu schlafen?«
    »Nein. Hier sind Geräusche, die höre ich, und wenn ich aufwache, ist das Bett ganz naß.«
    »Vielleicht darfst du ja wieder zurück zu deiner Cousine Dina und Onkel Fabio und Tante Tina. Kannst du dich jetzt wieder daran erinnern, wer in die Handtasche deiner Mama geschaut hat?«
    »Onkel Flavio.«
    »Flavio Vargius?«
    »Ja.«
    »Und wie hat der ausgesehen? Konntest du ihn im Dunkeln sehen?«
    »Das kleine Licht ging immer an und aus.«
    »Du hast ihn also erkannt? Erzähl uns mal, wie er ausgesehen hat.«
    »Er hatte ein weißes Hemd an und lockige Haare und einen Schnurrbart.«
    »Aber Nicolino, das ist doch dein Onkel Fabio. Hat Fabio in die Handtasche deiner Mama geschaut?«
    »Nein.«
    »Wolltest du uns nicht sagen, daß dein Onkel Fabio dort war?«
    »Ich darf nicht. Meine Tante hat das gesagt, und mein Vater auch.«
    Der Kleine spielt still eine Weile mit der Eisenbahn, ohne in seinem Spiel unterbrochen zu werden. Die Beamten halten in ihrem Bericht fest, von weiteren Fragen abzusehen, damit das Kind die Anweisungen seiner Familie befolgen könne – wollte man das, was ihm geblieben war, überhaupt noch Familie nennen: seine Mutter tot, sein Vater im Gefängnis; einzig Fabio und Tina Muscas können ihm ein Zuhause bieten. Sollte es der Polizei mit ihrer Autorität gelingen, Nicolinos Vertrauen für sich zu gewinnen, werde dies nur zur Folge haben, daß er ihnen das erzähle, was sie seiner Meinung nach hören wollten – nicht die Wahrheit. Auf die Frage, ob er seine Onkel gern habe, antwortet er nach einer Pause, ohne einzelne Namen zu nennen: »Einige Onkel sind lieb, und einige sind böse.«
    »Und Flavio, was für ein Onkel ist er?«
    »Er ist böse, er hat mich einmal sehr gehauen, als mein Vater im Krankenhaus war und meine Mama nicht da war.«
    3.5. Silvano im Schilf Man beschließt, das Kind für ein paar Tage in Ruhe zu lassen. Danach wird es erneut dazu befragt, wer am Tatort anwesend war. Es folgt eine wörtliche Abschrift der Befragung.
    »Wen hast du in der Nacht gesehen?«
    »Ich habe niemanden gesehen.«
    »Aber du weißt doch noch, daß du uns gesagt hast, Flavio wäre dort gewesen?«
    »Ja.«
    »Weißt du, wie Flavio aussieht?«
    »Ja.«
    Diesmal gibt Nicolino eine zutreffende Beschreibung Flavios und fügt hinzu: »Mein Vater ist ins Krankenhaus gekommen, und Flavio hat bei uns zu Hause gewohnt.«
    »War er auch abends da?«
    »Jeden Abend, er hat im Bett von meiner Mama geschlafen.«
    »Und in der Nacht, als du im Auto warst und jemand geschossen hat?«
    »Da war mein Vater da und hat mich auf dem Esel reiten lassen.«
    »Ist Flavio mit dir und deinem Vater mitgegangen?«
    »Nein. Ich glaube, ein Mann war da, aber ich weiß nicht, wer das war. Flavio war es nicht.«
    »Weißt du noch, daß du mal gesagt hast, es wäre Flavio gewesen? Warum hast du das gesagt?«
    »Mein Papa hat es mir gesagt, und meine Tante auch.«
    »Aber in Wahrheit war Flavio gar nicht da?«
    »Nein. Silvano stand im Schilf.«
    »Silvano? Wie sieht Silvano denn aus?«
    Nicolinos Beschreibung ist relativ ungenau. Er kennt Silvano weniger gut als Flavio.
    »Früher hast du uns aber nicht gesagt, daß du Silvano gesehen hast. Warum denn?«
    »Ich weiß nicht mehr.«
    »Weißt du nicht mehr, ob du ihn gesehen hast, oder weißt du nicht mehr, warum du uns das nicht gesagt hast?«
    »Ich weiß nicht. Da war ein Geräusch, und er war im Schilf.«
    Das Kind wird zu diesem Zeitpunkt immer bockiger und weigert sich, noch weiter Fragen zu beantworten, sagt, es sei müde. Dies ist zwar durchaus verständlich, kommt aber zum ersten Mal während einer Befragung vor. Bisher war der Junge stets dazu bereit, ja sogar darauf aus, den Beamten zu gefallen.
    Als sein Vater vor Gericht steht, sagt Nicolino aus, er habe in jener Nacht nur seinen Vater gesehen. Sergio Muscas wird wegen Mordes und wegen Verleumdung von Flavio und Silvano Vargius verurteilt.
    »Na, damit hätte ich mich aber nicht zufriedengegeben«, brummte der Maresciallo und ließ diesen Teil der Akte neben seinem Bett zu Boden fallen.

10
    Es war Viertel vor drei Uhr nachts, und der Maresciallo hatte nun wirklich Hunger und Durst und ging daher wieder zum Kühlschrank, um dessen Inhalt gründlicher unter die Lupe zu nehmen.
    »Wenn das 1968 auch jemand getan hätte…«
    Doch es hatte niemand getan. Wieder aufgerollt

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