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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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er die im Flur und im Wohnzimmer verstreuten Blätter ein und nahm sie mit in die Küche.
    Dort setzte er Kaffeewasser auf und ließ sich am Tisch nieder, um die durcheinandergeratenen Blätter zu sortieren. Was er immer morgens tat – aus dem Fenster schauen, um zu sehen, wie das Wetter war –, heute vergaß er es. Der erste Teil des Berichts war geordnet, denn den hatte er in hellwachem Zustand gelesen. Ein paar Blätter aus dem Teil zu Flavios Verhaftung lagen nicht mehr in der richtigen Reihenfolge, aber sie waren doch mehr oder weniger beisammen. Er ordnete sie und legte alles bis zu diesem Kapitel beiseite.
    »Richtig…«
    Zuerst der Kaffee. Er brodelte schon. Er schaltete den Herd aus und schenkte sich eine kleine Tasse ein.
    Das Durcheinander war gar nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte. Nur der letzte Teil, den er gelesen hatte, war nicht mehr geordnet – die Blätter so wenig wie seine Erinnerung an den Text. Er überflog jedes einzelne, während er sie hintereinanderlegte, und schied dabei Traum und Tatsachen.
    Amelio Vargius, Flavios Neffe und sein Komplize bei einigen Straftaten aus jüngerer Zeit, darunter ein Waffendiebstahl, um dessentwegen Flavio zur Zeit seiner Verhaftung gesucht wurde, hatte ausgesagt, Flavio sei zu Unrecht wegen des Mordes von 1968 verhaftet worden – immer werde Flavio zu Unrecht beschuldigt, während die wahren Verbrecher ungeschoren blieben. Amelios Verhältnis zu seinem leiblichen Vater, Silvano Vargius, so war damals durchgesickert, war so schlecht gewesen, daß er eigentlich mehr bei seinem Onkel aufwuchs – es war also verständlich, wenn Amelio sich nun für ihn ins Zeug legte und ihn verteidigte. Und das erklärte auch, warum Silvano seinem Bruder Flavio gegenüber so verbittert war und zu Protokoll gab, daß dieser zur Zeit des Mordes Belinda Muscas' Liebhaber gewesen sei. Er selbst habe zwar auch ein Verhältnis mit Belinda gehabt, doch als Flavio mit Belinda angefangen habe, sei das längst zu Ende gewesen. Silvano bestätigte auch, daß Flavio sehr eifersüchtig gewesen sei, das Alibi des Bruders bestätigte er jedoch nicht.
    Einem jungen Mann namens Salvatore Angius, der mit Silvano und Flavio befreundet war und der 1969 und 1970 zweimal gemeinsam mit Sergio Muscas eingesessen hatte, war eingefallen, daß Sergio ihm erzählt habe, er sei unschuldig, Flavio habe Belinda und Lo Russo ermordet. Andere Zeugen behaupteten, Flavio Vargius habe eine Beretta 22 besessen und sei oft bei Schießübungen, die er mit seinem Neffen im Wald in der Nähe seines Hauses veranstaltet habe, gesehen worden. Er hatte kein Alibi für die Zeiten, als die Pärchen ermordet wurden.
    Während des ganzen Jahres 1981 hatte man die Kennzeichen von Wagen überprüft, in denen Männer allein in der Dunkelheit im Umkreis von Florenz unterwegs waren, weil man hoffte, auf diese Weise Voyeuren auf die Spur zu kommen. Diese Autokennzeichen wurden dann noch einmal überprüft: Keines konnte Flavio zugeordnet werden, doch bei einem der überprüften Wagen erwies sich Amelio als der Halter, der Flavio sein Auto natürlich hätte leihen können.
    Man hatte ermittelt, daß Flavio ein gewohnheitsmäßiger Voyeur war und zur gleichen Bande gehörte wie Elio Sassetti. Kugeln und Hülsen waren in dem Waldstück sichergestellt worden, in dem Passanten ihn bei Schießübungen beobachtet hatten. Bei den Projektilen handelte es sich um Winchester vom Kaliber 22 mit einem eingestanzten H auf dem Boden, die Munition, die der Serienmörder verwendet hatte.
    Am 6. November 1982 war der Haftbefehl für Flavio Vargius ausgestellt worden.
    Der Maresciallo legte diesen und den nächsten Teil der Akte beiseite und stellte sich vor, wie frustriert die Ermittlungsbeamten gewesen sein mußten, als dieses Kartenhaus in sich zusammenfiel. Flavio wurde von Psychiatern begutachtet, die ihm vollkommene Normalität attestierten. Außerdem stellte man fest, daß die im Wald gefundenen Projektile aus einer anderen Waffe abgefeuert worden waren. Flavio hatte seine Waffe scheinbar tatsächlich nur für Wettkämpfe im Scheibenschießen mit seinem Neffen verwendet. Und als sei dies noch nicht genug, wurden, als Flavio Vargius im Gefängnis saß, Herman Mainz und Ulrich Richter in ihrem VW-Campingbus mit der Beretta 22 Long Rifle erschossen.
    Man hatte Flavio also nichts nachweisen können. Sergio beschuldigte daraufhin Fabio – nach einem Besuch, der wohl wenig glücklich verlaufen war. Als Beweis legte er einen Zettel aus

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