Das Ungeheuer
Rückruf von Able Protection. Es war derselbe Mann mit der tiefen Stimme, mit dem Victor schon früher zu tun gehabt hatte.
»Zuerst einmal möchte ich Mr. Norwell loben«, sagte Victor. »Er hat seine Sache gestern abend hervorragend gemacht.«
»Wir wissen dieses Kompliment zu schätzen«, erwiderte der Mann.
»Zweitens«, fuhr Victor fort, »brauche ich für die nächste Zeit zusätzlichen Schutz. Aber die Aufgabe erfordert eine ganz besondere Person. Ich will, daß jemand bei meinem Sohn VJ ist, und zwar von sechs Uhr früh bis sechs Uhr abends. Und wenn ich sage, ich will, daß jemand bei ihm ist, dann meine ich, ununterbrochen.«
»Das dürfte kein Problem sein«, erklärte der Mann. »Wann soll es losgehen?«
»Sobald Sie jemanden schicken können«, antwortete Victor. »Am besten schon heute morgen. Mein Sohn ist zu Hause.«
»Kein Problem. Ich habe genau den richtigen Mann für diesen Job. Er heißt Pedro Gonzales, und ich schicke ihn sofort los.«
Victor legte auf und rief Marsha zu Hause an.
»Wie hast du es geschafft, dich heute früh rauszuschleichen, ohne mich zu wecken?« fragte sie.
»Ich bin erst gar nicht mehr zum Schlafen gekommen nach all der Aufregung gestern nacht. Ist VJ da?«
»Er und Philip schlafen noch«, sagte Marsha.
»Ich habe gerade veranlaßt, daß ein Wachmann zu uns rüberkommt, der VJ von morgens bis abends im Auge behält. Sein Name ist Pedro Gonzales. Er wird in Kürze bei dir eintreffen.«
»Wieso?« fragte Marsha, offensichtlich überrascht.
»Nur, damit wir hundertprozentig sicher sind, daß ihm nichts passiert«, antwortete Victor.
»Du verschweigst mir doch irgendwas«, sagte Marsha. »Ich will wissen, was los ist.«
»Es ist nur, damit wir ganz sicher sind, daß ihm nichts zustößt«, wiederholte Victor. »Wir reden später darüber, wenn ich nach Hause komme. Ich versprech's dir.«
Victor legte den Hörer auf. Er hatte nicht vor, Marsha ins Vertrauen zu ziehen, zumindest nicht, was seinen jüngsten Verdacht anbelangte: daß das Hobbs- und das Murray-Kind möglicherweise getötet worden waren. Und daß VJ auf die gleiche Weise getötet werden konnte, wenn irgend jemand Cephaloclor in sein System einführte.
Mit diesen Gedanken im Kopf wandte er sich wieder den Objektträgern mit den Rattenhirnproben zu. Sie waren inzwischen trocken, und er begann, sie unter einem der Lichtmikroskope zu untersuchen. Wie er erwartet hatte, wiesen sie eine starke Ähnlichkeit mit den Hirngewebeproben der Kinder auf. Jetzt bestand für ihn kein Zweifel mehr: Die Kinder waren in der Tat an dem Cephaloclor in ihrem Blut gestorben.
Die Frage war: Wie in aller Welt war das Cephaloclor in ihr Blut gelangt?
Victor nahm die Objektträger aus dem Mikroskop und begab sich hinüber zu Robert. Sie arbeiteten schon so lange miteinander und waren so aufeinander eingespielt, daß Victor jederzeit bei ihm erscheinen und ihm zur Hand gehen konnte, ohne daß Robert ihm irgendwelche Anweisungen zu geben brauchte.
Nachdem sie sich eine zweite Tasse Kaffee gemacht hatte, setzte sich Marsha an den Tisch und schaute hinaus in den regnerischen Tag mit seinen schweren grauen Wolken. Es war ein schönes Gefühl, nicht ins Büro fahren zu müssen, auch wenn sie noch ihre Anstaltspatientenrunde vor sich hatte. Sie fragte sich, ob sie beunruhigter darüber sein sollte als sie es war, daß Victor einen Bodyguard für VJ engagiert hatte. Das klang zweifellos bedenklich. Andererseits schien es eine gute Idee zu sein. Aber sie war nach wie vor sicher, daß es Fakten gab, die Victor ihr vorenthielt.
Schritte auf der Treppe kündigten das Kommen von VJ und Philip an. Sie begrüßten Marsha, waren aber viel mehr am Inhalt des Kühlschranks interessiert, auf den sie zielstrebig zusteuerten, um sich Milch und Blaubeeren für ihre Cornflakes herauszunehmen.
»Was habt ihr zwei denn heute so vor?« fragte Marsha, als sie sich zu ihr an den Tisch gesetzt hatten.
»Wir gehen ins Labor«, erklärte VJ. »Ist Dad da?«
»Ja«, antwortete Marsha. »Was ist denn aus deiner Idee geworden, mit Richie Blakemore heute einen Ausflug nach Boston zu machen?«
»Hat sich zerschlagen.« VJ schob die Blaubeeren in Richtung Philip.
»Zu schade«, sagte Marsha.
»Macht nichts«, erwiderte VJ.
»Da ist etwas, worüber ich mit dir reden möchte«, sagte Marsha. »Gestern hatte ich eine Unterhaltung mit Valerie Maddox. Erinnerst du dich an sie?«
VJ hielt inne und blickte von seinem Teller auf. »Das hört sich aber nicht
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