Das Ungeheuer
Bildschirm huschenden Buchstabenkolonnen folgte, als sei er Zuschauer bei einem Pingpongspiel.
»Nun, haben Sie genug von dieser Datei gesehen?« fragte Louis.
Victor nickte.
Louis tippte ein paar Informationen in das Keyboard. Eine neue Datei erschien, aber sie ähnelte der ersten. »Es ist gut möglich, daß die ganze Festplatte voll mit diesem Zeug ist«, sagte Louis. »Und Sie sind sicher, daß Sie dieses Material nicht abgespeichert haben?«
»Ganz sicher«, erwiderte Victor lakonisch. Er wußte, daß Louis vermutlich vor Neugier fast platzte und brennend gern von ihm erfahren hätte, von wem das Material stammen könnte und wer der ominöse Hacker war, der sich in der vergangenen Nacht in den Zentralrechner eingeloggt hatte. Victor war dankbar, daß der Mann seine Neugier im Zaum hielt.
Während der nächsten halben Stunde ging Louis im Eiltempo von Datei zu Datei. Alle sahen im wesentlichen wie die erste aus. Es war wie eine Bibliothek von DNS-Molekülen. Dann plötzlich veränderte sich das Bild.
»Oho!« rief Louis. Was da auf dem Bildschirm erschien, war eine Personaldatei. Louis blätterte rasch ein paar Seiten durch. »Ich erkenne sie wieder, weil ich sie selbst formatiert habe. Dies ist eine Personaldatei von Chimera.«
Louis richtete den Blick auf Victor, der kein Wort von sich gab. Dann wandte er sich wieder dem Computer zu und rief die nächste Datei ab. Es war die von George Gephardt. »Diese Informationen stammen direkt aus dem Zentralrechner«, erklärte Louis. Als Victor immer noch nichts sagte, ging er zur nächsten Datei weiter, dann zu einer weiteren. Es waren insgesamt achtzehn Personaldateien. Danach kam eine Reihe von Buchführungsdateien. »Die kenne ich nicht«, sagte Louis. Wieder blickte er zu Victor auf. »Sie?«
Victor schüttelte ungläubig den Kopf.
Louis wandte seine Aufmerksamkeit erneut dem Bildschirm zu. »Wo immer sie herstammen, sie verkörpern eine Menge Geld. Wirklich eine clevere Art, es darzustellen. Ich möchte wissen, was für eine Art von Programm dafür benutzt wurde. Ich hätte nichts dagegen, eine Kopie davon zu kriegen.«
Nachdem er ein paar weitere Seiten der Buchführungsdaten durchgeblättert hatte, ging Louis zur nächsten Datei. Es war ein Aktienportefeuille von einer Anzahl kleiner Firmen, die allesamt Chimera-Anteile hielten. Alles in allem repräsentierte es einen großen Teil jenes Chimera-Aktienkapitals, das nicht von den drei Gründern und ihren Familien gehalten wurde.
»Was glauben Sie, ist das hier?« fragte Louis.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, sagte Victor. Aber eines wußte er ganz sicher: daß er sich VJ noch einmal vorknöpfen mußte. Wenn die Informationen, die er da vor sich auf dem Bildschirm sah, tatsächlich wahre Vorgänge wiedergaben und nicht Teil irgendeines komplizierten Fantasy-Computerspiels waren, dann hatte das sehr schwerwiegende Konsequenzen. Und ganz oben stand die Frage, was es mit den gelöschten Hobbs- und Murray-Dateien auf sich hatte.
»Jetzt kommen wieder weitere Dateien mit diesem DNS-Zeug«, sagte Louis, als der Bildschirm sich erneut mit den Listen der Nukleotidsequenzen füllte. »Soll ich weitermachen?«
»Ich glaube nicht, daß das nötig ist«, antwortete Victor. »Ich denke, ich habe genug gesehen. Würde es Ihnen was ausmachen, mir die Diskette zu überlassen, die Sie benutzt haben, um diese Dateien zu finden? Ich bringe sie Montag wieder mit in die Firma.«
»Die können Sie gern behalten«, sagte Louis. »Es ist bloß eine Kopie. Das Original habe ich bei mir zu Hause.«
Victor brachte Louis zur Tür und wartete, bis er in seinen Wagen gestiegen war. Er winkte ihm noch einmal kurz zu, bevor er losfuhr, dann schloß er die Tür. Er ging nach oben und vergewisserte sich, daß VJ nicht da war. Zurück in seinem Arbeitszimmer, rief er in Marshas Büro an, bekam aber nur den Auftragsdienst. Sie konnten ihm lediglich sagen, daß sie in der Klinik gewesen und wieder gegangen war. Wo sie sich jetzt befand, wußten sie nicht.
Victor legte den Hörer auf. Plötzlich kam ihm die Idee, bei Able Protection anzurufen. Vielleicht konnten sie sich mit ihrem Angestellten in Verbindung setzen. Wenn ja, konnte Victor herausfinden, wo VJ steckte.
Aber bei Able Protection meldete sich lediglich der Anrufbeantworter. Victor hinterließ seinen Namen und seine Telefonnummer mit der Bitte um schnellstmöglichen Rückruf.
Die nächste halbe Stunde verbrachte Victor damit, nervös im oberen Arbeitszimmer auf und
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