Das unheimliche Medium
Mauern. Sie mußte sich noch vor dem Haus aufhalten, draußen, wo die Finsternis lauerte.
Auch wenn das stimmen sollte, wollte sie sich erst davon überzeugen.
Deshalb verließ sie das große einsame Haus. Aber nicht durch die Vordertür, es gab durchaus noch andere Schlupfwinkel, denn hinter dem Gebäude breitete sich der Garten aus. An der Rückseite befand sich eine schmale Tür, nicht weit von den Vorratsräumen entfernt, denn einen Keller gab es nicht. Wie viele Häuser in England war es damals ohne Keller gebaut worden.
Vor der Hintertür blieb sie für einen Moment stehen. Sie legte die Hand auf die kühle Klinke. Sie kam ihr vor wie ein Stück Eis, das auf der warmen Hand schmolz.
Es war nicht abgeschlossen. Als Nora die Tür aufzog, lächelte sie. Ihr Onkel hatte schon dafür gesorgt, daß in den Angeln nichts knarrte. Sie waren von ihm gut geölt worden.
Sie trat hinaus.
Kühle Luft empfing sie. Nora fühlte sich gut, so leicht und gleichzeitig so stark. Die Kräfte der anderen Welt steckten in ihr und würden auch so leicht nicht verschwinden. Es paßten sogar noch welche in sie hinein, und sie nahm sich vor, sich später weiter aufzuladen. Da konnte es durchaus sein, daß wieder ein gewaltiges Blitzgewitter auf Weldon niederging, diesmal noch intensiver und mit weiterreichenden Folgen.
Man hatte sie gereizt, man hatte ihr einen Gegner geschickt, und da mußte sie einfach etwas unternehmen.
Der schmale Weg lag im Dunkeln. Er führte direkt an der Hauswand entlang. Weiter vorn schimmerten die Platten eines anderen Pfads. Er führte in den kleinen Nutzgarten hinein. Links davon breitete sich der Obstgarten aus, er war wild gewachsen und wurde kaum gepflegt.
Nora huschte dorthin.
Sie selbst hatte dabei den Eindruck, fliegen zu können. Ihre Füße glitten nur so über den Rasen hinweg. Sie knickte die hohen Halme, und sehr bald schon erreichte sie die Schatten der ersten Bäume, die skurrile Figuren auf den Boden malten.
Sie blieb stehen.
Der Platz war günstig. Nora konnte nicht nur die Rückseite des Hauses mit den dunklen Fenstern im Auge behalten, sie konnte auch das Ende der breiten Hausseite sehen, wo ebenfalls ein schmaler Weg entlangführte und auch die Schüssel angebracht worden war. Sie gehörte ebenfalls dazu, durch sie empfing Nora die Energien aus der anderen Welt, und die Schüssel sorgte dafür, daß dies verstärkt wurde.
Die Schüssel war wichtig…
Etwas huschte mit langen Sprüngen an ihr vorbei, als hätte das Wesen Angst vor Nora. Sie konnte es noch verfolgen und sah die Katze um die Hausecke wischen.
Wenig später hörte sie das Kratzen, als das Tier an der rauhen Hauswand hochkletterte.
Noch ein anderes Geräusch drang an ihre Ohren. Tritte?
Wenn ja, dann waren sie sehr behutsam und vorsichtig gesetzt, als wäre ein Dieb dabei, sich anzuschleichen. Nur wollte das Mädchen nicht an einen Dieb glauben, das mußte eine andere Person sein, und sie wußte auch, welche.
Der Feind!
Sie schluckte!
Scharf saugte sie die Luft ein. Plötzlich brannten ihre Augen. Energien durchtosten sie. Nora fühlte sich gut, kraftvoll, aber sie mußte die Energien im Zaum halten. Sie durfte sich jetzt nicht zu erkennen geben, hier war sie nicht stark genug, um den Feind zu vernichten. Sie brauchte noch einen gewaltigen Push, und den würde sie im Haus bekommen, das stand fest.
Ein Schatten huschte über den Rand der Schüssel hinweg. Wenig später hatte die Katze das Zentrum erreicht. Dort packten die anderen Mächte zu. Das Tier verglühte.
Nora schaute zu und lächelte. Sie sah kein Feuer, nur eben dieses dunkelrote Glühen, das den Körper in Sekundenschnelle in Asche verwandelte. Sie rieselte nach unten. Nora hörte die schnellen Schritte des Fremden, als er sich zurückzog und sehr bald wieder stehenblieb. Er würde mit diesem Problem belastet sein und nach einer Erklärung suchen. Nora konnte sich vorstellen, daß so etwas Zeit kostete, und sie wollte sie nutzen. Der Fremde hatte jetzt erfahren, daß etwas nicht stimmte. Nora traute ihm zu, daß er der Sache auf den Grund gehen wollte, aber nicht nur außen, sondern auch innen.
Er würde also das Haus betreten, und das wollte sie ihm leichtmachen.
Nicht an der Hinterseite, sondern vorn, er sollte durchaus so kommen wie ein Besucher.
Zuviel Zeit durfte sie sich nicht lassen, deshalb huschte sie aus der Deckung der Obstbäume und drückte schnell die Hintertür auf. Sie war in Sicherheit und atmete auf, während sie so gut wie
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