Das Unsterblichkeitsprogramm
blau aussehen. Dann ist da der Lärm der Sirenen in der Nacht, wie ein Lift, der durch die Ebenen der Stadt ratscht, die krächzenden Stimmen der Komsets, die irgendwie gleichzeitig energisch und mysteriös klingen, das Kommen und Gehen schwach beleuchteter, stämmiger Gestalten und die Fetzen kryptischer Unterhaltungen, die aufgebaute Polizeitechnik, die von geweckten Schaulustigen begafft werden kann, das Fehlen von allem anderen, das ein Vakuum als Hintergrund schafft. Sonst gibt es wirklich nichts zu sehen, und trotzdem schauen die Leute stundenlang zu.
Um neun Uhr früh an einem Werktag war das etwas anders. Ein paar Kreuzer hatten auf Ortegas Anruf reagiert und sich eingefunden, aber ihre Lichter und Sirenen fielen im allgemeinen Betrieb der Stadt kaum auf. Die uniformierten Polizisten sperrten die Straße auf beiden Seiten ab und trieben die Kunden aus den Geschäften, während Ortega die private Sicherheit der Bank überzeugte, mich nicht als potenziellen Mitschuldigen des Bombenanschlags zu verhaften. Offensichtlich war ein Kopfgeld auf Terroristen ausgesetzt. Eine kleine Menge versammelte sich hinter dem fast unsichtbaren Schleier der Barrieren, aber sie schien hauptsächlich aus erzürnten Passanten zu bestehen, die sich daran vorbeidrängen wollten.
Ich beschränkte mich darauf, die Sache auf dem gegenüberliegenden Bordstein auszusitzen und die oberflächlichen Verletzungen zu untersuchen, die ich durch meinen kurzen Flug vom Steg auf die Straße erlitten hatte. Es waren in erster Linie Abschürfungen und blaue Flecken. Die Architektur des Empfangsbereichs des Forenproviders hatte die meiste Energie der Explosion nach oben durch das Dach geleitet, und diesen Weg hatten auch die Splitter genommen. Wir hatten Glück gehabt.
Ortega trennte sich vom Haufen der uniformierten Polizisten, die sich draußen vor der Bank versammelt hatten und schlenderte über die Straße in meine Richtung. Sie hatte ihre Jacke ausgezogen, und ich konnte den langen weißen Gewebestreifen sehen, der über ihrer Schulterwunde gerann. Sie hatte das Holster abgenommen und hielt es in der Hand, und ihre Brüste bewegten sich unter dem dünnen Baumwollstoff eines weißen T-Shirts mit der Aufschrift Sie haben das Recht zu schweigen – Tun Sie’s doch einfach mal! Sie setzte sich neben mich auf den Bordstein.
»Der Wagen von der Gerichtsmedizin ist unterwegs«, sagte sie. »Was meinen Sie? Ob wir irgendetwas Brauchbares aus den Trümmern bergen können?«
Ich sah zur rauchenden Ruine der Kuppel hinüber und schüttelte den Kopf.
»Man wird Leichen finden, vielleicht sogar mit intakten Stacks, aber diese Typen waren lediglich einfache Kriminelle von der Straße. Sie werden Ihnen nur sagen, dass der Synth sie angeheuert hat, wahrscheinlich gegen ein halbes Dutzend Ampullen Tetrameth für jeden.«
»Ja, sie haben sich ziemlich dilettantisch benommen, nicht wahr?«
Ich spürte, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen stahl. »Könnte man sagen. Aber ich glaube gar nicht, dass sie uns erwischen sollten.«
»Sie wollten uns nur ein wenig beschäftigen, bis Ihr Kumpel in die Luft ging, wie?«
»Etwas in der Art.«
»Ich vermute, dass der Detonator mit seinen Biowerten verdrahtet war. Sie knallen ihn ab, und wumm, er nimmt Sie mit. Und mich auch. Und die schlecht bezahlten Hilfskräfte.«
»Und löscht damit seinen eigenen Sleeve und Stack aus.« Ich nickte. »Sauber, nicht wahr?«
»Was ist schief gelaufen?«
Ich rieb mir nachdenklich die Narbe über dem Auge. »Er hat mich überschätzt. Ich hätte ihn auf der Stelle töten sollen, aber ich habe nicht genau getroffen. Wahrscheinlich hätte er sich daraufhin selbst getötet, aber ich habe ihm den Arm zerschossen, um das MP-Feuer zu stoppen.« Vor meinem geistigen Auge fällt ihm die Waffe aus den gespreizten Fingern und schlittert über den Boden. »Dadurch hat er außerdem die MP verloren. Dann lag er anscheinend da und versuchte durch Willenskraft zu sterben, als er hörte, wie wir gingen. Ich frage mich, was für ein Synth-Modell er benutzt hat.«
»Was auch immer, von mir kann die Bande jederzeit einen Nachschlag haben«, sagte Ortega fröhlich. »Vielleicht ist doch etwas übrig, womit die Gerichtsmedizin etwas anfangen kann.«
»Sie wissen, wer es war?«
»Er hat Sie Kovacs gen…«
»Es war Kadmin.«
Ein kurzes Schweigen. Ich beobachtete, wie der Rauch von der zerstörten Kuppel aufstieg. Ortega atmete ein und aus.
»Kadmin ist eingelagert.«
»Jetzt nicht mehr.«
Weitere Kostenlose Bücher