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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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ist, Dean. Sie stimmen nie so ganz.« Er erklärte seinen Status als Lückenbüßer, der für seinen Vermieter eingesprungen war, den berühmten Strafverteidiger David Freeman.
    Dean Powell ließ sein Gebiß blitzen. Er besaß eine prächtige weiße Mähne, eine gesunde Gesichtsfarbe und ein imposantes Auftreten. Hardy hatte vorhin keine Lust gehabt, Powell auf zusuchen, und er war auch jetzt nicht sehr erpicht darauf, mit ihm zu plaudern. Aber da stand er nun, lächelte und redete.
    »Art wollte mich möglichst früh warnen, daß Sie den Fall übernommen haben. Damit ich die Sache ernster nehme.« Er ließ noch ein paar Zähne mehr blitzen, um dem Kompliment die rechte Würze zu geben. »Aber es ist Freeman, wie?« Sein Gesicht bewölkte sich für einen kurzen Moment. Powell mochte Hardy Artigkeiten sagen und ihm schmeicheln, wie gut er seine Sache machen würde, aber sobald Freeman erwähnt wurde, sah das Ganze gleich viel dramatischer aus. Freeman verlor nicht allzu oft.
    Powell zeigte auf die Treppenstufe. »Ist das die Akte über Mrs. Witt?«
    Hardy klopfte auf den Ordner. »Die Unterlagen geben recht wenig her, was das Motiv für den Mord an Matt angeht - das ist der Junge. Ich hab das auch gegenüber Art erwähnt, und er hatte anscheinend keine Lust, sich dazu zu äußern.«
    Powells Grinsen verschwand. »Ich werde mich dazu äußern. Das Motiv war das Geld des Ehemannes. Der Junge kam ihr dabei in die Quere. Punkt.«
    Hardy wandte sich ein wenig ab, um nicht gegen die grelle Sonne sehen zu müssen. »Glauben Sie das wirklich?«
    »Glaube ich das wirklich ? Ich will Ihnen was sagen, meiner Meinung nach ist es von der inneren Logik her glaubhaft.«
    »Danach habe ich Sie nicht gefragt.«
    Der Staatsanwalt fuhr sich mit der Hand durch die wallende Haarpracht. »Ob ich persönlich glaube, daß sie ihren Jungen kaltblütig erschossen hat? Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht. Wir haben im Laufe der letzten zwei Jahre gegen vier Frauen Anklage wegen genau dieses Verbrechens erhoben, also kommen Sie mir nicht damit, daß es einfach zu abscheulich sei, sich auch nur vorzustellen, daß eine Frau so etwas tun könnte.«
    Hardy blieb hartnäckig. »Ich will nur sagen, daß sie, Jennifer, es nicht getan hat. Ich habe mich gerade eben eine Zeitlang mit ihr unterhalten.«
    »Sie war traurig, oder?« Powell schüttelte den Kopf. »Erinnern Sie sich an Wanda Hayes, Diz?« Er bezog sich auf einen Fall, der vor ein paar Monaten für viel Presserummel gesorgt hatte. Hardy nickte, er erinnerte sich daran. »Tja, Wanda war fix und fertig, weinte die ganze Zeit. Und sie gab zu, daß sie zwei ihrer Kinder umgebracht hatte. Wie sie sagte, hatte sie eines Tages einfach die Beherrschung verloren, es tat ihr wirk lich leid.«
    »Na schön, Dean, aber...«
    »Kein aber, Diz. Ich will gar nicht sagen, daß Jennifer vor hatte, ihren Sohn zu töten. Was sie getan hat und was wir beweisen können, ist, daß sie vorhatte, ihren Mann zu töten und sich nicht die Zeit nahm oder was auch immer, um sicher zustellen, daß ihr Sohn nicht im Weg war. Vielleicht war sie einfach unachtsam. Ich weiß es nicht, und es kümmert mich auch nicht. Es bleibt dabei, der Sohn ist tot, und sie wird dafür bezahlen.«
    Nachdem er seinen Ärger abgelassen hatte, atmete Powell plötzlich tief aus, als sei er überrascht über seinen Gefühlsaus bruch. Er riß sich wieder zusammen. »Hören Sie«, sagte er, »ich bin gerade auf dem Weg rüber zu Lou. Hätten Sie Lust auf einen Drink?«
    Lou war Lou der Grieche, das nächstgelegene Wasserloch für die Polizisten und die Leute von der Staatsanwaltschaft.
    Hardy wies erneut auf seine Akte, schüttelte den Kopf. »Ein andermal.«
    Das Gesicht des Staatsanwalts nahm einen angespannten Ausdruck an. Wie es hieß, überlegte Powell, bei den diesjährigen Nachwahlen als Generalstaatsanwalt des Staates Kalifornien zu kandidieren, und offensichtlich hatte er daran gearbeitet, wie er in der Öffentlichkeit auftrat - diese Einladung zu einem Drink zum Beispiel trug den Unterton von Aufrichtigkeit -, aber gerade deshalb war Hardy auf der Hut. Wie Hardy wußte, vertrat Powell den Standpunkt, daß es zu den Pflichten des Anklägers gehöre, dem Team der Verteidiger vollständigen und freien Aktenzugang zu gewähren. »Wissen Sie, vielleicht lohnt es sich, wenn Sie noch einmal bei Art vorbeischauen. Wir wollen nicht, daß Sie irgendwelche Überraschungen erleben.«
    Hardy kniff die Augen zusammen und tat einen Schritt zur

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