Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
Vom Netzwerk:
Gentleman, der nur versuchte, die Wahrheit herauszufinden. »Lassen Sie sich Zeit.«
    »Ich weiß wirklich nicht genau, an welchem Tag das war.«
    Wieder war Powell baß erstaunt. »Aber es war doch gewiß im vergangenen Winter.«
    »Ich glaube schon, ich weiß jedenfalls, daß es einige Monate her ist.«
    »Könnte es auch länger zurückliegen?«
    »Euer Ehren! Der Staatsanwalt schikaniert die Zeugin.« Freeman war aufgestanden, aber er würde nicht damit durchkommen, und das wußte er auch. Er kam nicht damit durch.
    »Der Ansicht bin ich nicht«, sagte Villars. »Einspruch abgelehnt.«
    »Könnte es also auch länger zurückliegen?« fragte Powell noch einmal mit sanfter Stimme.
    Plötzlich erhob Lisa ihre Stimme zu einem halben Schrei. »Ich weiß nicht, wann es war!« Schockiert von dem, was sie angerichtet hatte, starrte sie erst Powell, dann die Geschworenen an. Schließlich entschuldigte sie sich bei der Richterin und wiederholte fast flüsternd: »Ich weiß nicht, wann es war.«
    »Danke, Ms. Jennings. Keine weiteren Fragen.«
    Es ging dem Ende zu.
    Freeman hatte die Absicht gehabt, Alvarez in den Zeugenstand zu rufen und ihn aufzufordern, auf eine der beiden Frauen zu zeigen, die ganz hinten im Gerichtssaal standen -Lisa und Jennifer -, um den Geschworenen wenigstens vorzuführen, daß ein Fehler bei der Identifizierung der einen oder anderen hätte möglich sein können. In gewissem Sinn hätte der simple Auftritt Lisas denselben Effekt gehabt, auch wenn das nach Hardys Ansicht nicht einmal annähernd dem Triumph entsprach, den er sich erhofft hatte, als er in den Morgenstunden in seinem Auto auf die minimale Chance wartete, Lisa vorbeijoggen zu sehen.
    Jetzt jedoch, nachdem Powell das Argument der irrtümlichen Identifizierung zerpflückt hatte, würde Alvarez nicht in den Zeugenstand gerufen werden. Sie waren also beim Geldautomaten angelangt, ihrer letzten großen Hoffnung.
    Niemand war wirklich eingenickt, aber es war ein Montag nachmittag, und sogar Hardy, der die Zahlen auswendig gelernt und die damit zusammenhängenden Überlegungen zu ihrer gegenwärtigen Gestalt verfeinert hatte, mußte zugeben, daß dies die Art von Zeugenaussage war, die ihn an die Physikstunde nach der Mittagspause in der High School erinnerte, die er meistens komplett verschlafen hatte.
    Freeman befragte soeben Isabel Reed, die junge Schwarze, die so sehr von Abe Glitsky beeindruckt gewesen war, als Abe und Hardy sie vor einem halben Jahr oder sogar noch früher in der Bank of America aufgesucht hatten. Während einer Reihe von Vorgesprächen war die Sache mit der dreiminütigen Zeitdifferenz zur Sprache gekommen, und Freeman hatte Ms. Reed eingeschärft, daß sie diese Diskrepanz von sich aus, ohne eine direkte Frage seinerseits, nicht ansprechen sollte. Er war sich nicht sicher, aber möglicherweise konnte sie diese Nachlässigkeit in Schwierigkeiten bringen.
    Genau das paßte Hardy nicht - doch erneut hatte sich Free-man über seine Bedenken hinweggesetzt. Freeman hielt dagegen, daß sie sich mit der Sache auseinandersetzen würden, falls die Anklage von der Sache Wind bekommen hätte und sie zur Sprache bringen wollte, daß sie, die Verteidigung, ihnen aber die zusätzlichen drei Minuten nicht auf dem silbernen Tablett servieren würden. Sie würden sie vielleicht noch brauchen.
    Als Ms. Reed im Zeugenstand war, hatte Freeman Jennifers eigene Geldautomatenquittung und eine Kopie des bestätigenden Berichts der Bank of America als Beweismittel registrieren lassen. Es gab also einen eindeutigen physischen Nachweis dafür, daß Jennifer Witt um 9 Uhr 43 Bank-of-America-Zeit am Geldautomaten stand und sich Bargeld holte.
    Alle im Saal hatten ein vergrößertes Poster vor Augen, das neben dem Zeugenstand entrollt worden war. Es zeigte einen Ausschnitt des Stadtplans von San Francisco, auf dem die Strecke vom Olympia Way die Clarendon hinunter und hinüber ins Haight-Ashbury-Viertel zu sehen war - die Strecke, die Jennifer, wie sie Hardy erzählt hatte, an jenem Morgen gelaufen war. Am Freitag war Officer Gage erneut als Zeuge befragt worden - er sprach auf Freemans Veranlassung über die Entfernung vom Haus der Witts bis zur Bank - die kürzeste Strecke auf der Straße - ein langer Halbkreis um das Medizinische Zentrum der UCSF, der Universität von Kalifornien in San Francisco, der nun, damit die Jurymitglieder es besser sehen konnten, rot eingezeichnet war.
    Es hatte zwar eigentlich nichts mit der direkten Zeugenaussage Ms.

Weitere Kostenlose Bücher