Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
Vom Netzwerk:
quer durch seine Lippen verlief, trat grellweiß hervor. »Mitten in der Woche, mitten am Tag, klar, ich schieb einfach ab. Kein Mensch wird mich vermissen. Ich dreh sowieso nur Däumchen.«
    »Abe, ich brauch dich, damit ich kein Verbrechen begehe, was, falls ich es tue und dabei geschnappt werde ...« »Falls du es tust und falls du dabei geschnappt wirst...« Hardy fiel ihm ins Wort. »Bitte, Abe, dies ist ein entscheiden der Moment in meinem Leben und in meiner beruflichen Karriere. Falls ich dieses Verbrechen begehe und falls ich dabei geschnappt werde, dann verliere ich meine Zulassung und werde aus dem Anwaltsregister gestrichen, Frannie wird sich vermutlich von mir scheiden lassen, und die Kinder werden mit dem Wissen leben müssen, daß ihr Vater ein Verbrecher ist. Selbst wenn ich nur davon rede, läuft mein ganzes Leben wie ein Film vor meinen Augen ab ...«
    »Vor deinen Augen.« Glitsky schüttelte den Kopf, und ein Windstoß fauchte ums Haus.
    »Na los«, sagte Hardy. »Es dauert noch nicht mal eine Stunde.«
    »Warum mach ich so was überhaupt?« fragte Glitsky.
    »Ich glaube, du hast diesen tiefverwurzelten Drang, dich beweisen zu müssen. Ich mach mir manchmal richtige Sorgen deswegen. Im Ernst, Ein Bursche in deinem Alter.«
    »Mein Alter entspricht deinem Alter.«
    »Ich weiß, aber ich bin jünger. Ich seh auch besser aus. Es ist komisch, aber wahr.«
    Glitsky biß sich in die Backe. »Traurig.«
    Sie standen in der Eingangshalle der Bank of America an der Straßenecke Haight und Cole. Hardy hatte der stellvertretenden Filialleiterin, einer jungen Schwarzen namens Isabel Reed, die allem Anschein nach keinerlei Probleme mit Glitskys Alter oder Aussehen hatte, Jennifers Anwaltsvollmacht ausgehändigt. Ms. Reed hatte die Abhebungen aus dem Geldautomaten vom Vormittag des 28. Dezember überprüft und kam mit der Mitteilung zurück, daß die Abhebung vom fraglichen Konto um 9:43 Uhr erfolgt sei und daß sie, weil sie gerade von der Uhrzeit sprächen, um halb fünf Feierabend hätte, falls es noch etwas gäbe, worüber sie mit ihr sprechen müßten ...
    Hardy sagte nein, er denke, das sei wohl alles gewesen und sie habe ihnen einen großen Dienst erwiesen. Er stieß Glitsky an, und die beiden wandten sich zum Gehen.
    »Ich bin täglich hier anzutreffen«, schickte Ms. Reed nach, »falls Sie sonst noch etwas brauchen.«
    »Wissen Sie ...« Hardy hielt inne, weil ihm eben etwas eingefallen war. »Da ist noch eine Sache, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Abraham, meinst du, wir sollten die Maschine da eichen?«
    Dies war, wie Hardy Glitsky auf dem Weg hierher erklärt hatte, der Grund, warum dieser mitkommen mußte. Glitskys Dienstmarke eröffnete ihnen den Zugang nicht nur zu Jennifers Konto, sondern zu dem gesamten Geldautomatensystem. Während ein hilfsbereiter Bankangestellter Quittungen aus dem Geldautomaten ausdrucken ließ, wählte Hardy POP-CORN — die Nummer, die der Polizei von der Telefongesellschaft Pacific Bell zur Verfügung gestellt worden war, damit sich die »offizielle Zeit« der Anrufe bei der Notrufnummer 911 feststellen ließ - und verglich das Ergebnis mit der Uhrzeit des Computers des Geldautomaten.
    Sie stellten fest, daß es eine Differenz von drei Minuten zwischen den beiden Uhrzeiten gab - 14:11 bei der Bank und 14:14 bei Pacific Bell.
    »Ist das wichtig?« wollte Ms. Reed von Abe wissen. Hardy hatte völlig aufgehört zu existieren.
    »Es kann entscheidend sein«, gab Glitsky zu, »zumindest in diesem Fall. Aber Sie hätten das ohnehin überprüfen sollen. Aufzeichnungen taugen nicht viel, wenn sie nicht präzise sind.« Ms. Reed, die dazu genickt und überhaupt der Verkündung dieser Weisheit aufmerksam gelauscht hatte, bedankte sich bei den beiden Männern und überreichte Glitsky ihre Visitenkarte. Dann, nachdem sie offensichtlich noch ein zweites Mal nachgedacht hatte, zog sie auch eine für Hardy hervor.
    Draußen blies der kräftige Wind, und die beiden Männer stemmten sich dagegen. »Also deshalb machst du all das hier mit«, knurrte Hardy durch die zusammengebissenen Zähne. »Aufzeichnungen taugen nicht viel, wenn sie nicht präzise sind.«
    Glitsky, der glücklich verheiratet war und drei Kinder hatte, konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln, was er sonst vielleicht zweimal im Jahr tat.
    Als sie wieder zurück ins Zentrum fuhren, machte Glitsky schließlich wieder den Mund auf. »Ich geb's auf«, sagte er. »Welches Verbrechen habe ich nun eigentlich durch dieses

Weitere Kostenlose Bücher