Das verborgene Wort
stupste und hineinbiß, meinen Fehler bemerkte, mir hastig und verstohlen die Hand am Tischtuch abwischte, dann wie die anderen Messer und Gabel ergriff, nicht wußte, was in welche Hand, mich verhedderte, die Gabel fiel untern Tisch. Später, als die anderen draußen am Reck die große Welle übten,übte ich mit Doris' Mutter in der Küche an einem zweiten Würstchen. Zu Hause probierte ich weiter. Werktags kam ich später als der Vater nach Hause und aß allein.
Es gab Rinderbraten, Erbsen, Soße und Kartoffeln, als ich beim Sonntagsessen zeigte, was ich konnte. Es war nicht leicht, die Erbsen auf die Gabel und mit links in den Mund zu bugsieren, ohne daß die Hälfte wieder herunterkullerte. Das Fleisch in passende Stücke zu schneiden dagegen ein Kinderspiel. Niemand schien mich zu beachten. Der Vater quetschte wie immer Gemüse, Kartoffeln und Soße zu einem Brei, schnitt das Fleisch klein, belud die Gabel mit hohen Haufen und schaufelte diese, den Kopf in die linke Hand dicht über den Teller gestützt, den rechten Unterarm vom aufgesetzten Ellenbogen aus kaum hebend und senkend, in den Mund, wo sie unter Schmatz- und Schlucklauten hinuntergedrückt wurden. Niemand sprach ein Wort. Ich hatte meinen Teller halb leer gegessen, als plötzlich eine Hand meine Linke umklammerte. Ich schrie auf, ließ die Gabel fallen.
Ach nä, höhnte der Vater und ergriff meine Gabel. Met ner Javvel ze ässe es der wall nit fürnähm jenuch. Dann brochs de se jo och nit.
Der Vater warf die Gabel auf den Boden, setzte den Fuß darauf. Es knirschte. Josäff, die Javvel, schrie die Mutter.
Haal de Muul, sagte der Vater. Eh dä Teller hie nit leer es, steht dat Blaach hie nit op.
Ich versuchte, Erbsen und Kartoffeln mit dem Messer zu zerdrücken, es spritzte und quatschte. Ich mußte die Kartoffeln mit den Fingern festhalten, das soßentriefende Fleischstück in die Finger nehmen und ablecken, bevor ich hineinbeißen konnte. Die Arme über der Brust verschränkt, zurückgelehnt, sah der Vater zu. Sonntags trug er ein weißes Hemd, es gab die ersten bügelfreien Nyltesthemden, und eine seiner zwei Krawatten; heute die gelbe mit den schwarzen Punkten. Er zog sie immer sehr eng zusammen und lockerte sie weder während des Essens noch wenn er sich danach auf dem Sofa zum Mittagsschlaf ausstreckte.
Jitz lurt ösch ens dat Blaach an. Un sujet will unser enem zeje, wie mer esse soll. Lurt ösch ens de Fenger an!
Ich hatte Erbsen, Kartoffeln, Soße zerquetscht, ganz wie der Vater. Hob den Teller an die Lippen, kippte ihn an und schnappte überm Tellerrand nach dem Brei, wobei die Portionen zu groß ausfielen und auf das Wachstuch platschten.
Un dat soll Benämm sin! frohlockte der Vater. Die Mutter nahm mir den Teller weg und wischte schweigend die Speisereste vom Tisch. Dä sull sesch jet schamme, knurrte die Großmutter und ließ die Herdringe klappern.
Zum Sonntagspudding knallte sie mir wie den anderen einen Löffel hin. Der Vater schob sein Schälchen zurück und ging in den Stall.
Zu Hause benutzte ich bei gemeinsamen Essen nur noch Besteckstücke, die erlaubt waren, aber wie ich sie handhabte, ließ keinen Zweifel daran, daß ich speiste und nicht aß. Nicht selten kamen dabei Kauen und Schlucken zu kurz. Ich nahm es in Kauf, stand vom Tisch auf, hungrig, aber unbesiegt.
Heute gab es, nach langem Drängen des Bruders, zum ersten Mal Buchstabennudeln. Die Mahnungen meines Gefühls für feine Manieren in den Wind schlagend, verzierte auch ich den Tellerrand mit den weichgekochten Zeichen aus der sonntäglichen Rindfleischbrühe. Gewonnen hatte, wer das längste Wort zusammenbrachte. Der Bruder hatte bereits >Hasenst< zusammengefischt und durchkreuzte die Suppe nach >a< und >l<. Ich brauchte für mein >Engelshaar< nur noch ein >r<, dachte, wie ich an das >Engelshaar< noch eine >krone< würde anhängen, murmelte vergnügt: Krone, Krone, Engelshaarkrone, als mich die Hand des Vaters im Nacken traf. Das feine Kettchen mit dem Sil- berkreuzchen von der ersten heiligen Kommunion sprang auf und fiel in die Suppe.
Do häs de et. Do häs de et. Häs de ding Boochstabe. Seine Hand in meinem Nacken umspannt meinen Nacken, umschließt meinen Hals, ich schnappe nach Luft, die Hand drückt den Kopf nach unten, immer weiter nach unten, da ist der Tisch, da ist der Teller, da ist die Suppe, gute Rindfleischsuppe, da sind die Nudeln, da sind die Buchstaben, und da ist mein Gesicht, da ist meine Nase, meine Haut, da ist mein Gesicht in der
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