Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Drachenaugen sollten sie auch im Dunkeln ausfindig machen können. Ich weiß, dass sie da draußen sind, aber ich kann sie nicht finden. Und das ist nicht Maristaras Werk. Die hat sich nach Drachenburg zurückgezogen, um ihre Wunden zu lecken und ihre Kraft für die Entscheidungsschlacht aufzusparen. Ich vermute, dass die Kriegerinnen das Heer vor mir verbergen. Sie verfügen über Drachenmagie, und sie sind so stark wie deine Mutter und die anderen Priesterinnen aus Seth. Mit dieser Art von Magie wehren sie die Drachen schon seit Jahrhunderten ab.«
Allmählich wurde Markus klar, was das bedeutete. »Die Armee könnte also überall sein, direkt vor unserer Tür, und keiner von uns könnte sie sehen.«
» Du kannst sie sehen, Markus. Deshalb sage ich es dir. Ich glaube, es liegt daran, dass ihre Magie deiner sehr ähnlich ist. Der Faktor Mensch beeinträchtigt meine Fähigkeit, die Illusion zu durchschauen. Ich setze meine Suche fort. Irgendwann müssen die Frauen ja einmal ausruhen. Die Magie schwächt sie – der Blutfluch, sagte Melisande dazu. Die Magie wird ihren Tribut fordern, und wenn sie nachlässt, kann ich das Heer vielleicht aufspüren. In der Zwischenzeit …«
»In der Zwischenzeit passe ich gut auf.« Markus versuchte, zuversichtlich zu klingen, aber ihm sank das Herz. Es sackte noch tiefer, als er bemerkte, dass Drakonas' Miene sich weiter verdüsterte. »Und die andere schlechte Nachricht?«
»Ich wollte dir nichts davon erzählen, Markus, weil ich noch nicht genug darüber weiß. Aber jetzt muss ich es, auch wenn meine Befürchtungen sich noch nicht bestätigt haben. Es ist noch ein weiterer Drache an diesem Komplott zur Unterwerfung der Menschheit beteiligt. Ein mächtiges Weibchen, einer der mächtigsten Drachen überhaupt. Viele Jahre war sie unsere verehrte, geschätzte Anführerin. Aber die Angst hat sie verändert. Die Angst frisst sie auf. Sie ist eure gefährlichste Gegnerin, Markus. Viel gefährlicher als Grald oder Maristara.«
»Lass mich raten«, folgerte Markus. »Du kannst auch sie nicht finden.«
»Ich setze meine Suche nach Anora fort, genau wie andere«, versicherte Drakonas. »Aber vorläufig musst du ständig auf der Hut sein, sowohl in deinem kleinen Raum als auch hier draußen.«
Drakonas nahm den Flakon mit dem Betäubungsmittel und warf ihn in den Abfalleimer. »Schlaf, Markus, wenn du musst, aber immer nur mit einem Auge. Und sieh zu, dass ihr so schnell wie möglich nach Ramsgate kommt.«
37
Im Königsschloss, wo es jeden erdenklichen Luxus gab, sogar drei Mahlzeiten am Tag – oder mehr, wenn sie wollte –, war Evelina nicht glücklich. Unruhig lief sie in ihrem Zimmer auf und ab. Auch ein vergoldeter Käfig bleibt ein Käfig.
Die Frau mit dem harten Gesicht folgte Evelina auf Schritt und Tritt. Nur in ihrer Begleitung durfte das Mädchen das Zimmer verlassen, weil es sich für ein anständiges, unverheiratetes junges Ding – Evelina kam es so vor, als genösse ihre Wärterin dieses verhasste Wort – nicht gehörte, sich ohne Anstandsdame irgendwo zu zeigen. Evelina regte sich darüber auf. Anfangs war sie sicher, dass sie mit dieser Maßnahme bestraft werden sollte. Irgendwann musste sie jedoch einräumen, dass auch die Lady lsabel stets in Begleitung einer älteren Frau zu sehen war, wann immer Evelina sie zu Gesicht bekam (also so oft, wie es dem eifersüchtigen Mädchen gelang).
Evelina durfte mit niemandem sprechen, insbesondere nicht mit Männern, was sie ausgesprochen ungerecht fand. Es gab eine ganze Menge hübscher Männer hier, besonders unter den Rittern Ihrer Majestät, die ihr bereitwillig die Zeit vertrieben hätten. Obwohl die Garde der Königin über die Nachrichten aus Burg Aston besorgt war, von wo aus täglich Boten eintrafen, die hin und her ritten, fanden einige Zeit, das hübsche Mädchen zu beachten, das, wie man munkelte, mit ihren goldenen Locken und sonstigen Reizen Prinz Markus eingewickelt hatte.
Der eine oder andere Ritter war gern zur Stelle, sobald Evelina ihren täglichen Spaziergang im Garten unternahm. Natürlich wurde sie stets von Axtgesicht überwacht, die Evelina sogar einmal in den Arm kniff, als sie einem gut aussehenden Fürsten zulächelte, der sie zuerst angelächelt hatte. Das unschöne Mal tat tagelang weh, und Evelina nahm nie das Fleischmesser zur Hand, ohne sich dabei genüsslich auszumalen, wie sie ihre Gouvernante aufschlitzte.
Man ließ Evelina nicht in den Flügel der Königsfamilie, so dass sie die
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