Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
bemerkt zu haben, was ein Stockwerk weiter oben vorgefallen war. Sie sah zur gegenüberliegenden Galerie hinüber und entdeckte niemanden.
Offensichtlich war sie allein hier oben, bewaffnet und kampfbereit.
Tang hatte einen Bruder angewiesen, sich mit schussbereiter Armbrust in der Galerie des ersten Stocks aufzustellen. Dieser sollte jetzt links von Tang stehen, auf halbem Wege zum Haupteingang. Zwei weitere Brüder warteten zu seiner Rechten in der Erdgeschoss-Galerie, wo Ni sie nicht sehen konnte.
Während der Kampf in der Mitte der Halle andauerte, warf Tang beiläufig einen Blick nach rechts und entdeckte die beiden Brüder.
Mit einem leichten Kopfschütteln signalisierte er ihnen: Noch nicht.
Aber bald.
Malone hielt den Blick auf Tomas geheftet. Der starrte mit Augen zurück, die wie schwarze Kohlen glühten; ein boshafter Ausdruck verfinsterte seine Züge.
»Wissen Sie, wie viele Male ich Sie hätte sterben lassen können?«, fragte der Russe.
Malone hörte nicht hin. Erinnerungen überschwemmten ihn in erstickenden Wogen. Er hatte Cassiopeia vor Augen, wie sie mit Waterboarding gefoltert wurde und wie sie in den Fluss stürzte. Er sah Viktor Tomas vor sich, wie er ihn auf dem Video verhöhnt hatte und wie er auf dem Felsen erschienen war. Tomas, der an allem schuld war.
Malone machte einen Ausfall nach vorn.
Tomas konterte, begegnete dem Stoß, drückte Malones Lanze nach unten und führte die seine in einer Drehbewegung nach vorn.
Malone hielt fest und wehrte das Manöver ab.
Die Stirn des Russen war schweißbedeckt. Auch Malone spürte die Hitze der Feuer, die keine zehn Meter entfernt brannten. Er sagte sich, dass die Kohlenbecken ihm vielleicht n ützlich werden konnten, daher wich er beim Duell mit Toma s langsam zu ihnen zurück und lockte seinen Gegner hinter sich her. Jedes Becken stand auf einem über einen Meter hohen dreibeinigen Eisenständer.
Für seine Zwecke war das gerade instabil genug.
Viktor kam noch immer langsam hinter Malone her.
Ni drückte die Schwertschneide gegen Paus Hals. Der alte Mann leistete keinen Widerstand, die beiden Brüder hingegen bereiteten Ni Sorgen, auch wenn sie nicht bewaffnet waren.
Er hielt seine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet.
»Ihr könnt beide etwas von ihrem Mut lernen«, sagte Pau.
Tang schien diesen Seitenhieb übelzunehmen. »Mir war nicht bewusst, dass mir Mut fehlt.«
»Hatte ich dir aufgetragen, Jin Zhao zu töten?«, fragte Pau. »Er war ein brillanter Geochemiker. Ein Ehemann und Großvater. Harmlos. Und doch hast du ihn festnehmen und prügeln lassen, bis er ins Koma fiel. Dann hast du ihn, der bewusstlos in einem Krankenhausbett lag, unberechtigterweise für schuldig erklären und erschießen lassen. Zeugt das etwa von Mut?«
Tangs Erschrecken über diesen Tadel war unübersehbar.
»Oder war es etwa mutig, als du Ratten auf Sokolovs Brust ausgesetzt und ihn bei seinen Qualen beobachtet hast? Und wie viel Mut hat es wohl erfordert, Qin Shis Bibliothek zu zerstören?«
»Ich habe nichts anderes getan, als dir treu zu dienen«, erklärte Tang.
»Hatte ich dir etwa aufgetragen, dieses Museum in Antwerpen niederzubrennen? Einer unserer Brüder ist in den Flammen umgekommen.«
Tang erwiderte nichts.
»Und Sie, Minister Ni«, erklärte Pau. »Wie viel Mut erfordert es wohl, einem alten Mann die Kehle durchzuschneiden?«
»Nicht viel, daher sollte es mir nicht allzu schwer fallen.«
»Sie machen sich selbst schlecht«, meinte Pau. »Bei mir zu Hause haben Sie sich der Herausforderung durch die Killer gestellt. Eine ähnliche Szene wie jetzt, da wir die beiden streit enden Männer beobachten. Beide sind hergekommen, obwo hl sie keine Ahnung hatten, was sie hier erwartete. Und doch sind sie gekommen. Das ist Mut.«
Cassiopeia sah, dass Cotton Viktor in die Nähe der Kohlebecken lockte. Sie rang mit sich, ob sie einschreiten sollte, schließlich verfügte sie nur über einen einzigen Pfeil. Der Mann in dem Wollgewand, der bewusstlos neben ihr auf dem Boden lag, hatte keinen weiteren bei sich gehabt.
Wenn sie sich jetzt zu erkennen gab, wäre das kontraproduktiv.
Sie hatte nur einen einzigen Schuss, der musste also treffen.
Malone spürte die Hitze im Rücken. Er hörte, wie hinter ihm Holzkohle zerbarst, während er einen weiteren Lanzenstoß von Tomas abwehrte.
Er brauchte einen Augenblick Zeit, und so wirbelte er seinen Speer in einem weiten Bogen herum, was Tomas zwang, seinen Schaft mit beiden Händen zu packen und den
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